In der BR-Daily „Dahoam is Dahoam“ spielt Heidrun Gärtner seit über fünf Jahren Annalena Brunner. Wir haben sie in den Studios besucht, mit ihr über Heimat, Familie und ein Erlebnis bei der BayWa in Wolfratshausen gesprochen – und wären am liebsten in Lansing geblieben.
Wir stehen in der Empfangshalle auf dem BR-Gelände in Dachau und warten auf Schauspielerin Heidrun Gärtner. Lansing heißt das fiktive bayerische Dorf, das hier auf einem ehemaligen Fabrikgelände hochgezogen wurde. Seit 2007 kennen Fans Heidrun Gärtner als Annalena Brunner, die Gastwirtstochter aus der BR-Daily „Dahoam is Dahoam“: Nach vielen Jahren in Frankfurt kam Annalena zum 60. Geburtstag ihres Vaters mit ihrer Tochter Saskia nach Lansing zurück, führt mit ihrem Bruder die Metzgerei und hat ihr Glück mit Tierarzt Sebastian gefunden. Seit der ersten Folge ist Heidrun Gärtner dabei. Kürzlich wurde Folge 1114 ausgestrahlt. In der wirklichen Welt wohnt die gebürtige Sindelfingerin seit Jahren in Icking und ist mit dem Schauspieler Daniel Friedrich verheiratet. Sie haben einen neunjährigen Sohn.
Es ist Freitagmittag, ein Tag nach Vatertag. Heidrun Gärtner kommt lächelnd die Treppe herunter: „Heidrun“, stellt sie sich vor. Wie in einem bayerischen Dorf – fiktiv oder nicht – eben so üblich, sind wir sofort beim Du. Etwa zwei, vielleicht zweieinhalb Stunden haben Fotografin Katjana Frisch und ich eingeplant. Am Ende bleiben wir über fünf Stunden in Lansing. Wir starten mit einer Führung, charmant moderiert und kommentiert von Annalena Brunner. Drei Studios gibt es hier. Läuft man durch die Kulissen, wirkt der fließende Übergang surreal: ein Wohnraum, ums Eck die Apotheke, Metzgerei, Brunnerwirt-Innenbereich. Ein Fernseh-Labyrinth. Wir lassen uns im „Wohnbereich der Brunners“ nieder.
Dahoam: Heidrun, das Dahoam-Magazin trifft Annalena Brunner aus „Dahoam is Dahoam“ (sie lacht). Die naheliegendste Frage zuerst: Was ist für dich Heimat?
Heidrun Gärtner: Heimat ist für mich ein Ort, an dem Menschen sind, die mir lieb sind. Deshalb ist Heimat für mich vor allem dort, wo mein Mann und mein Kind sind. Egal, ob in Frankreich im Urlaub oder im Hotel in Bozen, dann bin ich dahoam. Ich habe aber gemerkt, je länger ich im Oberland lebe, desto mehr liebe ich diese Landschaft. Das, was Bayern ausmacht. Gestern erst haben wir mal wieder eine Radltour gemacht. Es ist einfach total schön. Auch die Nähe zu den Bergen, wo man neben Skifahren auch noch so viele andere tolle Sachen machen kann.
Bleibt als Schauspielerfamilie genug Zeit für Ausflüge?
Wir haben viel zu tun, der Zeitplan ist eng. Aber das teile ich mit vielen arbeitenden Müttern dieser Welt. Mein Sohn ist neun Jahre alt, da musst du nach einem langen Drehtag sofort den Mama-Schalter umlegen und über Kinderthemen sprechen. Das fordert, manchmal überfordert das auch. Mein Mann macht daheim auch sehr viel, darüber bin ich sehr froh, aber manchmal muss man einfach die Reißleine ziehen und sagen: So, jetzt, wir, einfach raus.
Ist es ein Thema für deinen Sohn, dass man die Mama aus dem Fernsehen kennt?
Es ist schon ein Thema für ihn, gerade dann, wenn Fans auf mich zukommen. Ich weiß noch, einmal in Glentleiten (Freilichtmuseum des Bezirks Oberbayern in Großweil – Anm. d. Redaktion) war ein Handwerkertag. Da waren auch viele Fans von „Dahoam is Dahoam“, die auf mich zugekommen sind und mich angesprochen haben. Damals war er noch kleiner, und das hat ihn schon erschreckt. Mittlerweile kennt er’s und bleibt ganz gelassen. Er sagt dann: „Mama, gell, das war wieder ein Fan“, und wir gehen zur Tagesordnung über.
Unser Gespräch wird unterbrochen. Ein Filmteam muss die Kulisse für den Dreh vorbereiten. In den Studios läuft alles nach einem strikten Zeitplan: Die Schauspieler erhalten immer freitags den Ablaufplan für die kommende Woche. Darin steht, wann sie im Studio sein müssen, wann in der Maske, wann die Proben losgehen und wann tatsächlich gedreht wird. In Lansing wird etwa eine Folge am Tag und vier bis sechs Wochen im Voraus produziert. Um da nichts durcheinanderzubringen, räumen wir das Feld und sitzen kurz darauf in der „Wohnküche von Monika Vogl“.
Bist du in Icking eigentlich die Annalena aus dem Fernsehen oder die Heidrun von nebenan?
Es kommt schon vor, dass man auf mich zukommt. Das läuft aber immer sehr höflich und angenehm ab. Die freuen sich dann einfach, mich zu sehen.
Gab es auch schon unangenehme Situationen?
Als wir eingezogen sind, haben wir unser Haus aufwendig renoviert. Da musste ich mal geschwind zur BayWa nach Wolfratshausen, um so einen Fugen-Kitt zu besorgen. Da stand ich morgens um acht an der Kasse, ungeschminkt, mit Dreck an den Fingern und ungewaschenen Haaren. Und dann: „Meiii, die Annaaaleeenaaaaa, Wahnsinn!“ Und ich dachte mir, oh mein Gott, ich bin gar nicht da (lacht). So wie ich da aussah, hätte ich mich beim besten Willen selber nicht erkannt.
Könnte auch schlimmer sein …
Auf jeden Fall. Man ist quasi von Montag bis Donnerstag für 30 Minuten ein Familienmitglied für diese Leute. Für die Fans ist „Dahoam is Dahoam“ ein Stück heile Welt. In Icking ist es so, dass ich durchaus erkannt werde, aber nicht zwangsweise. Gerade zugroaste, reiche Ickinger gucken „Dahoam is Dahoam“ dann eher nicht (lacht).
Apropos Zugroaste. Wie hat es dich denn eigentlich ins schöne Oberland verschlagen?
Ich bin in Sindelfingen geboren, habe in München studiert und in Graz meine Ausbildung gemacht. Dann war ich in Ulm, in Konstanz, in Hamburg, in Mönchengladbach … Dort habe ich überall Theater gespielt. Zuletzt habe ich lange in Berlin gelebt und gearbeitet – und dann habe ich mich in Daniel Friedrich verliebt und kam hierher. Das Set von „Aus heiterem Himmel“ (Daniel Friedrich spielte in der Serie zwischen 1995 und 1999 die Hauptrolle – Anm. d. Redaktion) steht heute fast in Rufweite unseres Hauses.
Einen umfassenden Blick hinter die Kulissen von “Dahoam is Dahoam” bietet dieses Video aus dem Jahr 2008
War der Umzug ein Kulturschock für dich?
Mittlerweile fühle ich mich hier sehr wohl. Aber ich muss zugeben, dass ich das Dorfleben anfangs unterschätzt habe, auch, weil ich sehr schnell schwanger geworden bin. Ich hatte so eine idyllische Vorstellung von allem. Aber im Winter, mit Kind, auf dem Dorf, war es schon sehr einsam. Mittlerweile bin ich aber gut vernetzt, habe tolle Freunde, und auch mein Sohn hat sich ein soziales Umfeld aufgebaut. Eine schöne Entwicklung.
Die ursprünglich angesetzten 30 Minuten für das Interview haben wir längst überschritten. Also verlassen wir die Kulisse erst mal wieder. In der Empfangshalle stehen Valentina (Lilly Reulein) und Sebastian (Herbert Ulrich), Heidruns Fernsehfamilie, und liefern sich ein Duell am Tischkicker. Heidrun führt uns in den Außenbereich. Wir fühlen uns längst wohl in den Studios. Ob Schauspieler oder Team, man wird lächelnd begrüßt, hier und da entwickeln sich kurze Gespräche. Und dann auch noch das: In der Serie spielt Tommy Schwimmer den Flori Brunner, ein richtiger Hallodri. Heute steht er im Außenbereich – und werkelt mit der Kreissäge herum. „Was machst’n du da?“, fragt Heidrun. „I bau an Schrank“, bekommt sie zur Antwort. Als auch noch Schauspieler Harry Blank alias Mike Preissinger auftaucht, geht die Gaudi los. Sie scherzen, lachen, umarmen sich. Heidrun bekommt noch ein paar Komplimente für ihr Dirndl. Dann geht die Führung weiter.
Nach all den Jahren: Ist auch „Dahoam is Dahoam“ ein bisschen Heimat, ein bisschen Familie?
Familie war es eigentlich relativ schnell. Ich finde, und das bestätigen auch Besucher immer wieder, dass hier schon eine besondere Atmosphäre herrscht. Es sagt einiges aus, wenn du nach fünfeinhalb Jahren immer noch gerne zum Drehen kommst, dich auf deine Kollegen und dein Team freust und die meiste Zeit wirklich Spaß hast. Man unterstützt sich, hilft dem anderen, das Beste aus sich herauszuholen. Es ist wirklich schön hier und, ja, auch ein Stück weit Heimat.
War für dich sofort klar, dass du richtig Lust auf die Rolle hast?
Absolut. Es wurde gecastet, und ich habe die Rolle gleich bekommen. Ich habe mich wahnsinnig gefreut und war total dankbar, dass ich Teil dieses Teams sein darf. Es herrschte damals eine richtige Aufbruchsstimmung. Das Konzept von „Dahoam is Dahom“ war nicht unangefochten. Aber man hat sich irgendwie durchgesetzt und über die Jahre eine tolle Fangemeinde aufgebaut.
Wir passieren die Berghütte, vorbei am Biergarten und stehen schließlich vor der Lansinger Dorfkirche. Eine Kapelle aus Stein und Holz, im Prinzip jedenfalls. Denn: „Kaum zu glauben, dass das eine Fassade ist, oder?“, sagt Heidrun Gärtner. Wir öffnen das Tor zum Gotteshaus und werden von einer schwarzen Wand begrüßt. Drinnen kann es ganz schön eng werden, erzählt sie, dann nämlich, wenn man das Ende eines Kirchgangs drehen möchte. Heidrun Gärtner lacht: „Hier hatten wir schon eine ganze Menge Spaß.“ Wir schlendern weiter durch Lansing, vorbei am Brunnerwirt – ebenfalls Fassade; das sprudelnde Wasser aus dem Dorfbrunnen sind Plastikschläuche. Heidrun schmunzelt: „Immer wieder verrückt, wie echt das am Ende alles aussieht.“
Gibt es so einen Schalter in deinem Kopf, den du für die Rolle umlegen musst, oder sind Annalena und Heidrun gar nicht so verschieden?
Annalena hat schon viel von mir. Sie hat diese „Es wird schon alles gut werden“-Einstellung, sie ist pragmatisch und ein fröhlicher Mensch, das würde ich für mich selbst auch beanspruchen. Der Moment, in dem ich von Heidrun zu Annalena werde, ist eigentlich ein fließender Übergang. Das passiert zum einen in der Maske, wenn man geschminkt wird und den Text noch mal durchgeht, und zum anderen, sobald man sich auf die nächste Szene vorbereitet.
Was wäre denn die eine, große Rolle, die du unbedingt noch spielen möchtest?
Ich würde wahnsinnig gerne in einem historischen Film spielen. So mit schönen historischen Kleidern in einer schönen, opulenten Geschichte. Das würde mir wahnsinnig Spaß machen.
Am Ende dieses Tages, nach Ausflügen in den Außenbereich und die Maske, gehen wir noch mal in eines der Studios. Heidrun schlüpft in die Rolle der Annalena, das letzte Mal an diesem Tag: Sebastian, Annalena und Valentina waren gerade auf dem Volksfest, Valentina hat Rosen geschossen und präsentiert stolz ihre Schokolade, die sie bekommen hat. „Und bitte“, lautet die Regieanweisung. Ein paar Minuten später ist die Szene im Kasten. Aussetzer bleiben aus, alle Schauspieler sind textsicher, alles läuft nach Plan. Eine Routine, die man sich in fünfeinhalb Jahren erarbeitet hat.