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Alpinist aus Leidenschaft: Interview Jörg Pietschmann

Interview Jörg Pietschmann | Der Berg ruft!

Der Berg ruft!

Jörg Pietschmann machte vor fünf Jahren mit der Bergbegehung des „Mustagh Ata“, (7509m, Pamir-Gebirge/Volksrepublik China) von sich reden. „Dahaom“ erzählt er von seiner Leidenschaft, seinen Lieblings-Touren aus der Region und gibt Tipps für Einsteiger!

Dahoam: Jörg, Du wurdest hier in der Region als Alpinist  bekannt, als Du 2007 den „Mustagh ata“ im Alpinstil mit Ski begangen hast – was hat Dich zu dieser ganz speziellen Bergbegehung bewegt?

Jörg: Wir, also meine Begleiter Marc Nagl, Georg März und ich, wollten zum einen nicht mit einer kommerziellen Expedition aufbrechen und deshalb gab es auch nicht die Möglichkeit, endlos Material mitzuführen. Der Alpinstil bedeutet, alles selbst auf den Berg rauf und runter zu tragen, keine Hilfe von Trägern in Anspruch zu nehmen und auch keine Lagerketten aufzubauen. So eine Art der Begehung ist sehr mühsam, da man immer wieder sein Zelt abbauen, Schlafsack, Isomatte und einfach die gesamte Ausrüstung einpacken muss und ständig mit sich führt. Neben dem Aufwand ist natürlich der schwere Rucksack ein ständiger Begleiter. Vorteil ist wiederum, dass man zu jeder Zeit, z. B. bedingt durch einen Wetterumschwung, abbrechen kann und seine „Hütte“ quasi im Rucksack dabei hat…

Wie kamst Du überhaupt zum Alpinismus und gab es Vorbilder, die Dich besonders inspiriert haben?

Vorbilder gab es genügend, als Junge war sicher Reinhold Messner mein größtes Vorbild und ich ziehe heute noch meinen Hut vor seinen alpinistischen Leistungen. Der Kletterer Wolfgang Güllich inspirierte mich im Sportklettern und das Bergsteigen, die Basis für alle alpinen Aktivitäten, hab ich vor allem meinen Eltern zu verdanken. Als wir 1979 von Oberfranken nach Wolfratshausen zogen, wurde das Bergsteigen eine ständige Wochenendbeschäftigung für unsere Familie. Meine Eltern waren schon immer passionierte Bergsteiger und nahmen mich schon damals mit 3 Jahren auf alle Vorberge mit. Als junger Bub kamen die ersten Klettersteige und leichte Hochtouren dazu. Später, als ich 13 war, nahm mich mein Cousin das erste Mal zum Klettern mit und ich war dieser Art des Bergsteigens gleich verfallen. Von dort weg waren es eher die steilen Wände, die mich faszinierten. Als Jugendlicher fuhr ich oft mit der Bahn nach Franken um meinen Cousin, um am Wochenende mit ihm klettern zu können. Mit 20 kam dann der eigentliche Schritt zum Alpinismus. Eisklettern, Hochtouren und Skitouren machten das ganze vollständig.

Was macht für Dich die Faszination am Alpinismus  aus?

Der Alpinismus ist für mich die vollkommenste Art des Bergsteigens. Man muss ein Allrounder sein. Während einer Tour hat man Phasen von Glück, Zufriedenheit, Freiheit, dazu kommt die physische und manchmal auch psychische Herausforderung. Am Ende einer Tour ist man immer relaxt und geerdet…

Fast jeder Sportler berichtet von einem besonderen Moment in seiner Laufbahn – was war Dein bewegenster „Klettermoment“?

Da gibt es nicht „den“ bewegensten Moment. Es gab Situationen auf reinen Felstouren, die mir sicherlich genauso im Gedächtnis bleiben wie schöne Seillängen im Eis oder traumhafte Abfahrten in unberührten Tiefschneehängen. Es gibt definitiv Momente, die ich nicht noch einmal erleben möchten, das Gewitter am „Mustagh Ata“ auf 7000m zum Beispiel. In so einem Moment hat man eigentlich nur Angst und will so schnell wie möglich weg…Tatsächlich ist es aber so, dass einem die Touren, bei denen sich der Gipfel nicht ausging, sei es wegen dem Wetter oder den Verhältnissen am meisten im Gedächtnis bleiben.

Gibt es etwas, was Du im Alpinismus unbedingt noch erreichen willst?

Es gibt noch sehr viele offene Projekte. Leider fehlt im Moment etwas die Zeit, um wirklich große Sachen anzugehen. Doch Träume müssen sein! Da wären noch zahlreiche unbestiegene 6000er und 7000er. Aber auch in den Alpen gibt es unzählige Herausforderungen, es gibt noch sehr viele Grate, die noch gemacht werden müssen. Aber Berge sind keine Frösche, sie hüpfen nicht davon und deshalb kommt alles zu seiner Zeit.

Wo trifft man einen Jörg Pietschmann diese Saison in den Bergen?

Wie schon erwähnt werde ich aus Zeitgründen heuer keine großen Sprünge machen. Allerdings haben wir das Wetterstein und Karwendel direkt vor der Tür, dort gibt es wunderbare Grate und alpine Klettereien.

Welche alpinen Wege kannst Du aus unserer Region empfehlen?

Für mich mit Abstand eine der schönsten Touren bei uns: Eine Winterbegehung des Jubiläumsgrat von der Alpspitze zur Zugspitze, eine anspruchsvolle, alpine Herausforderung, die absolute alpine Erfahrung erfordert – direkt vor der Haustür.

Und noch zum Schluss – worauf sollten Einsteiger Deiner Meinung nach achten?

Hier könnte ich jetzt ausschweifen und in sämtliche Bereiche abdriften. Wichtig ist: Die richtige Ausrüstung für die richtige Tour. Turnschuhe haben z. B. im Hochgebirge grundsätzlich nichts verloren. Man sollte seine Tour gut planen und vor allem sich selbst und seine Tourenpartner realistisch einschätzen. Schwierigkeit, Kondition, Können und das Wetter sind wichtige Faktoren die passen müssen. Heutzutage steigen und klettern viele Leute Touren, die früher nur erfahrenen Alpinisten möglich waren. Das hat mit Sicherheit mit der besseren Ausrüstung und Absicherung zu tun, aber oftmals fehlt eben die Erfahrung, die kann auch mit der besten Hi-Tec-Ausrüstung nicht ausgeglichen werden. Wer zur rechten Zeit auch mal umdrehen kann zeigt Stärke. Vor solchen Personen habe ich mehr Respekt als vor denen, die Glück hatten oder gar von ehrenamtlichen Bergwachtlern rausgeholt werden mussten. Die Tour ist eben immer erst im Tal zu Ende…

Vielen Dank für das Interview!

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