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Rasseln, singen, tanzen: Die Perchten kommen

Perchten | Kirchseeon

So sehen sie aus, die schaurigen Gestalten, die ab dem 29. November durch Kirchseeon ziehen

In der dunklen Zeit gehen sie um, die Perchten von Kirchseeon. Sie sind schaurige Gestalten mit hölzernen Masken, zotteligen Haaren und einem recht grantigen Gesichtsausdruck. Dennoch – oder gerade deswegen – gehören sie in der Zeit bis zum 6. Januar zum Brauchtum in Oberbayern dazu. Mei Dahoam hat sich mit dem Chef der Perchten unterhalten.

Wenn’s draußen schon um fünf Uhr finster wird, dann geht sie wieder los: die „stade Zeit“ in Bayern. Für 60 Burschen und Mädels aus Kirchseeon besteht die aber aus etwas ganz anderem als Platzerl essen, Adventskranz anzünden und Glühwein trinken. Sie machen aus der „staden Zeit“ eine Zeit mit Tanzen, Trommeln, Singen, Rasseln, ein bisserl Schreien – und gruseligem Erschrecken. Die Perchten sind nämlich ab dem 29. November wieder in Kirchseeon unterwegs.

„Die Kinder warten schon direkt drauf, wenn wir kommen“, sagt Wolfgang Uebelacker (53), Vorstand der Perchten von Soj. Mit zehn Jahren hat er angefangen, „und damals war das alles noch ein voglwuider Haufen“, erinnert er sich. Die Perchten hatten einen eher zweifelhaften Ruf – von „Raufen und Saufen“ war die Rede. „Doch das“, sagt Uebelacker, „ist lange vorbei.“ Er verneint vehement, dass Zuschauer bei den Perchtenläufen zu hart angegangen oder gar verletzt würden. „Das ist ein Tabu bei uns“, betont er. Und erzählt davon, wie die schauerlich aussehenden Herrschaften mit dem bunten Zottelfell und den prägnanten Gesichtszügen ihr Publikum zwar erschrecken, aber sonst schon auch nichts. „Ohne Erschrecken ist’s ja auch nix“, meint Uebelacker und lacht.

Anders als viele Brauchtumsvereine haben die Perchten von Soj keine Nachwuchsprobleme, ihnen laufen die Jungen sogar die Bude ein. Mitlaufen ist ein Privileg, in den Kindergärten fragen die jungen Kirchseeoner ab November nach dem Christkindl, nach Schlittenfahren, nach dem Schnee – und eben nach den Perchten. Genau deswegen wachsen auch so viele Kinder direkt in den Verein hinein, erleben ihre Eltern und Geschwister, wie sie sich die Masken überziehen – und fangen dann als Jugendliche selber damit an. Die Masken sind alle entweder noch alt oder nach altem Vorbild geschnitzt. Hans Reupold war der Erste, der in den Fünfzigern mit dem Schnitzen anfing – er ist heuer 90 Jahre alt geworden, seine Nachfolger sind mittlerweile damit beschäftigt, beschädigte oder kaputte Masken nachzubilden. Sie werden alle aus trockenem Lindenholz gemacht; jedes Exemplar ist einzigartig und hat eine bestimmte Bedeutung.

 

 

Die sogenannten „Klaubauf“ repräsentieren die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, andere stellen Drachen und „Feierdeifen“ dar. Die weitaus größte Gruppe tanzt bei den Läufen um die „Frau Percht“, die einen Januskopf trägt und als Teufel und Sonne Gegensätze in sich vereinigt. Wieder andere gehören zu den „Holzmandln“: Sie zeigen Waldbewohner und Waldgewächse wie Fledermausohr und Tannenzapfen und tanzen mit zwei Meter langen Haselnussstecken herum. Böse Hausgeister haben da keine Chance mehr – mit ihren Stecken legen die „Holzmandln“ den sogenannten „Drudenhax“ vor die Häuser in Kirchseeon. Das Böse hat somit mindestens ein Jahr Hausverbot, bis die Perchten wiederkommen.

Bis zu 60 Auftrittsanfragen pro Jahr bekommt Wolfgang Uebelacker, sogar zum Silvesterstadel waren die Perchten schon einmal eingeladen – und haben abgelehnt. „Wir wollen nicht zu kommerziell werden. Wir wären der reichste Verein in Oberbayern, wenn wir alles annehmen würden. Aber das wollen wir nicht.“ Ein bisschen Geld kommt dennoch in die Vereinskasse, weil die Perchten die „Hoberngoaß“ bei jedem Lauf mittragen – sie ist noch eine Originalmaske aus den Sechzigern und schluckt mit ihrem großen Maul Münzen und Scheine. Um die fünf Kilo wiegt die Hoberngoaß – wer die am Kopf trägt, braucht also definitiv Kondition. Und auch die anderen Masken schlagen mit drei Kilo zu Buche; dazu kommen noch die Zottelgewänder. „Das Sichtfeld ist schon eingeschränkt, aber man gewöhnt sich dran. Innen polstert jeder seine Maske so aus, wie er sie braucht. Die Alten haben sowieso immer die gleiche auf, die geben ihre Maske nicht mehr her“, erzählt Uebelacker. Wer mitmacht, legt während des Laufs zu einem Großteil seine Persönlichkeit ab und wird zum Fabelwesen. „Das ist wie beim Theaterspielen, man ist ein anderer Mensch und gleich viel selbstbewusster.“ Vielleicht ist es gerade das, was viele am Perchtenlaufen reizt – und vielleicht ist auch gerade das der Grund, warum der Brauch so lebendig jedes Jahr weiterlebt.

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