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Draufgschaut – Teil 1: Retro-Dirndl

Retro-Dirndl

Ein Beispiel für Dirndl-Recycling: Julia Müller gibt alten Dirndln mit ihrem Label "Fuchsdeifeswuid" ein Zuhause (hier: Model Sina mit einem von Julia Müllers Dirndln).

Die Wiesn naht und mit ihr für viele Frauen die Frage: „Welches Dirndl trag ich heuer?“. Amüsantes zum Thema der richtigen (oder auch falschen) Dirndl-Wahl, weiß unsere Kolumnistin Eva Hirsch zu berichten.

Es dürfte so ungefähr zehn Jahre her sein, als das Münchner Volkstheater im Riederinger Festzelt den “Brandner Kaspar“ gespielt hat. Zwischen Bierbänken und auf Holzdielen hüpfte der Boandlkramer damals herum, die meisten Besucherinnen trugen Dirndl, die meisten Männer Lederhosen. Damals war ich Anfang 20, trug ebenfalls ein Dirndl – aber ein kurzes, es ging nicht mal übers Knie, es hörte direkt darüber auf und ich erinnere mich noch genau: Die Blicke der Frauen waren damals im Bereich “tödlich“ anzusiedeln. Es hätte nicht des charmant herumkaschperlnden Boandlkramers mehr bedurft, um mich in die bayerische Modehölle zu bugsieren, hätten die Blicke der versammelten Damenschaft töten können.

Bereits vor zehn Jahren wurde mir also klar: Das mit den kurzen Dirndln geht nicht. Ein Dirndl ist quasi mit dem Frauenknie so verbandelt, dass sich beide nie trennen wollen – das Dirndl passt sozusagen auf das Knie auf, dass es niemals nicht die Sonne sieht. Deshalb ist es umso verwunderlicher, dass heutzutage die Dirndl (zumindest die, die es vermehrt in die hunderttausendfachen Werbeblätter schaffen) immer kürzer werden. Mit der Länge (oder Kürze) eines Dirndls einher geht auch immer der Farbwahnsinn; je kürzer desto bunter, je schriller, desto tülliger. Wie viele Polyester für die 2013er-Dirndlproduktion sterben mussten, will ich gar nicht wissen.

Dabei ist gerade das Dirndl ein Kleidungsstück, das sich während der letzten Jahrzehnte so gut gehalten hat, dass auch Schnitte aus den 50ern, 60ern und 70ern heutzutage nach wie vor auf die Straße und ins Bierzelt dürfen. Das alte Dirndl ist das neue Dirndl, Recycling geht mit nichts so gut wie mit dem Dirndl: Wer auf Flohmärkten, bei Wohnungsauflösungen, in Second-Hand-Shops sucht, findet zu hundert Prozent ein Kleid, das ihm steht – und das übers Knie geht und nicht gleich schreit: “Zu Dir oder zu mir oder gleich hinter’s Bierzelt?“ Daher: Rein ins alte Dirndl, denn auch das will weiterleben – schließlich hat es auch schon mehr gesehen als die neuen “60-Euro-für-Dirndl-Blusn-Schürzn“-Sets. Vielleicht erzählt es in einer stillen Stunde auch alte Geschichten von früher. Als die Maß noch ein Fuchzgerl gekostet hat – und die Zuckerwatte ein Zehnerl. Mein altes Dirndl aus Riedering liegt übrigens seitdem im Schrank. Vielleicht nähe ich es irgendwann noch um, kniebedeckend. Oder lasse nähen. Darin war ich nämlich noch nie so gut.

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