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„I bin halt I“: Interview mit Mundart-Sängerin Claudia Koreck

Die bairische Singer-Songwriterin über Familienbande, die Liebe zu Billy-Joel-Songs und ihren ausgeprägten Freiheitsdrang.

Montag, Anfang August. Pünktlich um 9 Uhr steuert Claudia Koreck ihren Wagen auf den Parkplatz, aus den Boxen dröhnt Reggae-Musik. Wir sind mit der bairischen Singer-Songwriterin am beschaulichen Tüttensee, unweit des Chiemsees, für ein Interview verabredet. Der Tüttensee ist ihr Lieblingsort. Während man die ersten Worte mit ihr wechselt, erkennt man gleich, warum sie sich hier so wohl fühlt – und es ergibt sich eine wunderbare Metapher. Claudia Koreck ist kein Superstar, aber ihre Fans wissen ihr Talent als Singer-Songwriterin, ihren Charme und ihre Bodenständigkeit zu schätzen. Das typisch Bairische an ihr. Ein Superstar unter den Seen ist auch der Tüttensee nicht, charmant und bodenständig, ja, typisch bairisch aber allemal. Star-Allüren sucht man bei beiden vergebens.
„Du kommst aus dem Allgäu, oder?“, fragt sie, als wir den kleinen Pfad zum See hinuntergehen. Das stimmt, überraschenderweise. Denn es kommt nicht oft vor, dass das jemand auf Anhieb bemerkt. Aber wer seinen Dialekt und seine Heimat so sehr liebt wie Claudia Koreck, der hat wohl einfach ein Gespür fürs Zuhause, auch das des anderen. Nachdem die ersten Bilder von ihr im Kasten sind, die Fotograf Bernhard Haselbeck auf einem kleinen Bootssteg am Wasserwacht-Häuschen schießt, lassen wir uns auf der Terrasse des Cafés nieder. Claudia Koreck erinnert an das nette Nachbarsmädchen, mit dem man als kleiner Bub schon gerne im Sandkasten gespielt hat, und mit der man heute einfach gerne im Garten sitzt, ein Weißbier trinkt und über das Leben philosophiert. Ihre gute Laune ist ansteckend. Sie lächelt die ganze Zeit.

mei Dahoam: I gfrei mi, heit mit dir hier zum sitzn und über di und dei Musi zum redn. Passt das so?

Claudia Koreck: (lacht) Ja klar. Aber du bist ja Memminger, deshalb kannst au‘ Bairisch.

Gott sei Dank. Claudia Koreck, warum schreibst du deine Texte auf Bairisch und nicht auf Englisch?

Ich habe mit zwölf Jahren angefangen, Lieder zu schreiben. Die ersten waren tatsächlich auf Englisch, weil ich viel mit amerikanischer Musik aufgewachsen bin. Aber wenn du 13 oder 14 Jahre alt und kein englischer Muttersprachler bist, dann geht dir das schon ab, dass du oft nicht das sagen kannst, was du sagen willst. Deswegen habe ich ganz intuitiv mein erstes Lied auf Bairisch geschrieben. Für mich war das eine Art Offenbarung. Endlich konnte ich genau das ausdrücken, was ich wollte. Und dabei bin ich geblieben. Heute denke ich gar nicht drüber nach, was ich schreibe, sondern lass es einfach kommen.

Dafür müsste die Atmosphäre hier am See ziemlich perfekt sein.

Das stimmt. Ich habe hier schon viele Texte geschrieben. Aber auch in Traunstein gibt es ganz viele Orte, an denen ich gut schreiben kann. Ich habe unten an der Traun auch einen total schönen Platz, wo kein Mensch ist. Dort kann ich in Ruhe Musik machen. Das war in München in meiner kleinen Wohnung ganz anders. Da war über mir jemand, unter mir auch, links und rechts sowieso. Und meine Nachbarn haben dann immer ganz genau gewusst, wann ich was spiele.

Über München reden wir auch noch. Du hast eigentlich die klassische Singer-Songwriter-Laufbahn hinter dir. Mit sieben Jahren schon auf Tour, mit zwölf Jahren die ersten Lieder geschrieben, irgendwann kam dann mit „Fliang“ der erste Durchbruch. Allerdings hast du dich mal in Mannheim an einer Pop-Akademie beworben – und wurdest wegen deinem Dialekt nicht genommen.

(lacht) Stimmt, woher weißt du das? Das weiß ja sonst keiner.

Was war da los?

Das war nach der Schule, als ich mir überlegt hatte, wie es weitergehen soll. Ich habe damals Aufnahmen von mir hingeschickt und nicht mal eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen. Das Bairische hat ihnen wohl einfach nicht getaugt. Mei, vielleicht war’s auch einfach nicht gut genug (lacht). Da war ich zuerst schon a bisserl enttäuscht, dann habe ich mir aber gedacht, okay, dann war’s vielleicht nicht das Richtige. Also bin ich nach München gegangen und dort durch die Kneipen getourt.

Der Durchbruch kam dann 2007 und seither hast du mit einer Vielzahl an Künstlern zusammengearbeitet, darunter auch Konstantin Wecker …

Ich habe schon ganz viele tolle Leute getroffen. Das ist echt ein Traum, denn es gibt so viel gute Musiker auf dieser Welt. Gerade Konstantin Wecker ist auch total lieb. Wir haben uns getroffen und er hat mich spontan auf die Bühne geholt. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden.

Ist Konstantin Wecker auch so a bisserl ein Vorbild für dich?

Konstantin Wecker habe ich eigentlich erst entdeckt, als ich nach München gezogen bin und mir gleich alle seine CDs gekauft (lacht). Als Kind war er mir noch kein Begriff.

Ganz andere Ecke: Bob Dylan oder US-amerikanische Singer-Songwriter im Allgemeinen?

Bob Dylan weniger. Aretha Franklin habe ich schon als Kind immer viel gehört. Also so alte Soul-Sachen. Ich bin aber auch ein Riesen-Fan von Billy Joel. Der hat so viel geile Lieder und erzählt so viel tolle Geschichten. Ich habe ihn leider noch nie live gesehen. Im November spielt er in Dublin oder in Manchester. Jetzt muss ich schauen, ob ich da irgendwie hinkomme. Das wäre so schön. Mein Papa hat früher noch viel Rolling Stones gehört, mit denen bin ich auch groß geworden.

Wenn du jetzt schon deinen Papa erwähnst: Da du ja mit sieben Jahren schon auf Tour gegangen bist, darf man sicherlich davon ausgehen, dass deine Familie dich in deiner Karriere als Musikerin immer unterstützt hat, oder?

Das hat sie. Vor allem meine Oma. Mit der war ich als Kind immer viel zusammen. Sie war es auch, die meinen Eltern gesagt hat, dass ich Talent habe. So habe ich meine ersten Unterrichtsstunden bekommen und bin dann auch mit den „Showkids“ auf Tour gegangen.

Wo wart ihr überall unterwegs?

Hauptsächlich in Bayern, wir haben ganz viel gespielt zu der Zeit, auch mit Rolf Zuckowski sind wir aufgetreten. Meine Eltern haben das zwar immer gefördert, aber sie haben mir nie vorgeschrieben, wo ich hin soll, was ich tun muss. Musik war schon immer mein eigenes Ding, meine eigene Art von Freiheit. Meinem Papa hat das immer wahnsinnig gefallen, mich zu Aufritten zu fahren, dabei zu sein, mitzuklatschen und so weiter. Der war einfach stolz, aber auf eine nette Art.

Also überhaupt keine Karriereeltern, die ihre Kinder früh zum Klavierunterricht schicken, dann noch zum Ballett und so weiter.

Überhaupt nicht. Die haben mir immer meine Freiheit gelassen. Sie haben hier und da natürlich versucht, mich vor schlechten Dingen zu bewahren. Aber auch das habe ich nie zugelassen, da ich einfach meine eigenen Erfahrungen machen wollte.

Ist dieser Drang nach Freiheit typisch für dich?

Ich bin ein sehr freiheitsliebender Mensch und ich brauche die innere Freiheit genauso wie die äußere Freiheit. Und wenn ich diese Freiheit nicht habe, dann ist das schwierig.

Inwieweit hat das Einfluss auf deinen Sohn?

Der Timmy (Jahrgang 2010, Anm. d. Redaktion) ist überhaupt ein super geliebtes Kind. Er kennt ganz viele Leute, die einen engen Bezug zu ihm haben. Ich liebe ihn über alles, aber ich finde, dass es auch in diesem Alter schon wichtig ist, dass man lernt, loszulassen. Meine Mama liebt uns auch abgöttisch und das ist ihr sehr schwergefallen.

Man hört raus, dass eure Familienbande sehr stark sind.

Sehr. Und das ist auch ganz wichtig, weil sonst könnte ich alles nicht so machen, wie ich es momentan mache. Wenn wir viel unterwegs sind, dann bleibt Timmy bei meinen Eltern im schönen Chiemgau und da geht’s ihm gut. Da sagt er dann: Tschau, Mama. Und dann passt alles. (lacht)

Versteht er schon, dass seine Mama bekannt ist und auch im Fernsehen auftritt?

Wenn irgendwas von mir im Fernsehen kommt, dann läuft bei Oma und Opa natürlich auch der Fernseher. Manchmal interessiert es ihn aber auch gar nicht. Nach dem Motto: Ach, die Mama, schon wieder. (lacht)

Anderes Thema: Was ist für dich Heimat?

Heimat oder dahoam sein verbinde ich schon mit hier, meinen Freunden von früher und den vielen versteckten Orten, die ich woanders nicht kenne. Aber ich kann mich auch woanders sehr gut daheim fühlen.

Du bist vor ein paar Wochen wieder nach Traunstein gezogen. Warum?

Eigentlich wegen den Kindern. Das zweite kommt im Januar. Ich habe hier eine wunderschöne Kindheit gehabt, auch in Freiheit. Wir waren immer zehn oder 15 Kinder. Da hat morgens jemand geklingelt, man hat sich getroffen und dann sind wir einfach losgezogen. Das geht in der Stadt nicht. Da musst du erst mit dem Auto oder der U-Bahn irgendwo hinfahren, dass du mal im Grünen bist. Kannst deine Kinder dann aber auch nicht einfach laufen lassen, weil es so viele Gefahrenquellen gibt, also musst du ständig nach ihnen schauen.

Ist es für dich als Mundart-Künstlerin nicht sogar inspirierender auf dem Land zu leben?

Für mich ist beides inspirierend. In der Stadt schätze ich, dass es so viele verschiedene Leute gibt, die für Neues offen sind, viele Kreative. Auf dem Land findest du schon öfter Leute, die eben nicht ganz so offen sind gegenüber Dingen, die nicht der Norm entsprechen. Das war der Grund, warum ich damals weg wollte, weil ich mich in diesen Normen gefangen gefühlt habe. Es sind natürlich bei Weitem nicht alle so, aber viele. Ich kenne eine Menge Leute, die nicht verstehen, was ich mache und dann blöd daherreden. Dabei sollte jeder das tun, was er tun möchte, solange er niemanden damit behindert.

Heißt, dass du in der Vergangenheit auch schon schlechte Erfahrungen gemacht hast?

Ich habe immer viel mitbekommen, da meine Mama Friseurin ist. Manche ihrer Kunden haben das nicht gewusst und dann haben sie beim Friseur voll über mich abgelästert. Für so was habe ich kein Verständnis.

Hat dich das belastet?

Du lernst damit umzugehen. Lass sie reden, ich mache, was ich mache, und werde mich da nicht beeinflussen lassen: I bin halt I.

Lebst du deinen Traum?

Wenn man das in seinem Leben machen kann, das einem am meisten gibt, dann hat das schon was von einem Traum. Ich wollte immer einfach nur Musik machen. Es ist einfach so, dass ich mich auf der Bühne völlig ausleben kann. Und ich bin einfach nur dankbar, dass die Leute zu meinen Konzerten kommen. Das ist schon ein großes Privileg.

Claudia, vielen Dank für das Gespräch.

Über den Autor

Benjamin Krischke

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