Sein musikalischer Lebenslauf begann relativ spät. Erst mit elf Jahren bekam Klaus Doldinger Klavierunterricht. Das ist jetzt bald 70 Jahre her. Genug Zeit für eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte – eine Jazz-Legende
Wenn er mehr Zeit hätte, würde er über sein Leben gerne auch ein Buch schreiben. Aber dafür hat er im Augenblick noch viel zu viel zu tun. Der gebürtige Berliner tourt mit verschiedenen Formationen immer noch durchs In- und Ausland und gibt Konzerte. Das nächste hier im Umkreis ist am 30. Juni in Starnberg im Rahmen der Reihe „All that Jazz“. Doldinger komponiert aber auch noch fürs Fernsehen. Seine größten Erfolge sind dabei sicher die Titelmusiken für den „Tatort“, „Das Boot“ und „Die unendliche Geschichte“. Mit seiner Formation „Passport“ hat der 79-Jährige gerade ein neues Album aufgenommen. Er hat mehr als 60 Alben veröffentlicht, etwa 2.000 Stücke geschrieben und stand in rund 50 Ländern rund um den Globus circa 4.200-mal auf der Bühne. Es läuft seit Jahrzehnten richtig rund. Und weil das noch nicht reicht, sitzt Klaus Doldinger seit 1991 im Aufsichtsrat der GEMA und begleitet das musikalische Geschehen quasi auf einer Metaebene.
Seine große Leidenschaft, neben der Familie, gilt dem Jazz. Klaus Doldinger war Ende 1945 mit seinen Eltern auf Zwischenstation in Schrobenhausen, da marschierten die Amerikaner ein. Doldinger erinnert sich mit leuchtenden Augen: „Da hörte ich den ersten Jazz und war sofort fasziniert.“ Die Faszination hält seitdem an. Schon zu Schulzeiten lernte er im Düsseldorfer „Hot Club“, wo man sich alle 14 Tage zum Plattenhören traf, die ersten Musiker kennen. Er gründete die Dixieland-Band „Düsseldorfer Feetwarmers“ und nahm die erste Platte auf. Da war er gerade 19. Nach dem Abi studierte er, ganz konservativ, Musikwissenschaften (Klavier und Klarinette) und Tontechnik und wurde Tonmeister. Der Übergang zu Saxophon und Jazz gelang mühelos: „Eine fundierte Ausbildung ist wichtig – dann kann man sich alles andere selber beibringen!“
Wichtig sei für ihn auch immer der Kontakt zum Publikum: „Es gibt viele Leute, die für Film und Fernsehen arbeiten, die sind nur im Studio! Das reicht mir nicht!“ Die erste internationale Bühnenerfahrung sammelte Doldinger auf Einladung von Coca Cola. Eine Neuaufnahme von „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“ gefiel dem US-Konzern so gut, dass er Doldinger und Kollegen 1960 auf die erste USA-Tournee schickte. „Danach war ich im Modern Jazz angekommen“, erzählt Doldinger. Mit dem „Klaus Doldinger Quartett“ kam 1962 das erste Album „Jazz made in Germany“. Das Album schlug ein wie eine Bombe. Es ging Schlag auf Schlag, besser gesagt Beat auf Beat. Sein vorrangiges Interesse war seine eigene Band. Entdeckt für die professionelle Karriere wurde Doldinger quasi von Sigi Loch, damals Chef von Philips, später Warner Music Deutschland. Ganz frisch hat Doldinger vor wenigen Wochen mit seinen Musikkollegen „Passport en route“ aufgenommen, das beachtenswerte 34. Album! Bei der ersten Gruppierung von „Passport“ saß noch Udo Lindenberg am Schlagzeug. Die Band sorgte für großes Aufsehen. Aber genauso schnell stob sie auch wieder auseinander. Die zweite Formation ab 1972 war von mehr Kontinuität und Harmonie geprägt. Überhaupt lesen sich die Namen der musikalischen Wegbegleiter von Klaus Doldinger wie das „Who is who der deutschen Musikgeschichte“. Mit fast allen ist er freundschaftlich verbunden.
Parallel entwickelte sich die Familie. „Von zwei auf inzwischen zwölf“, strahlt der leidenschaftliche Ehemann, Vater von drei Kindern und Großvater von fünf Enkeln: „Wir sind dem lieben Gott sehr dankbar, dass sich das alles so gut entwickelt hat!“ Angesprochen hat er seine Frau Inge im Jahr 1956 bei einer Jazz-Matinée in Düsseldorf. „Da wusste ich aber schon, wer sie ist“, verrät er mit einem vielsagenden Lächeln. 1960 heiratete das junge Paar und kam 1968 nach Icking. Sein Kraftquell und Lieblingsfleck im Oberland ist Irschenhausen, der Ort, an dem Familie Doldinger wohnt: „Wir gehen gerne und oft durchs Dorf, und es gibt keinen Spaziergang ohne Gespräche.“ Der schönste Ausblick sei am „Drei-Huckel-Berg“. „Das ist der schönste Ausblick überhaupt“, behauptet der Weltmusiker, der wirklich schon viel von dieser Erde gesehen hat. NächstesJahr wird er 80. „Das würde ich gerne unter der Decke halten“, verrät Klaus Doldinger, obwohl ihm durchaus bewusst ist, dass sich das kaum geheim halten lässt. Ein guter Zeitpunkt für eine umfassende Biografie? „Ja, eigentlich gerne. Wenn ich nur mehr Zeit hätte …“