Kunst & Handwerk

Schmiedekunst made in Degerndorf: Tom Carstens

Die Berufung zum Beruf machen. Tom Carstens, Kunst-Schmied aus Degerndorf, hat sich diesen Traum erfüllt! Dass ihn die Arbeit mit Elementen fasziniert, spürt jeder, der seine Werkstatt in der Nähe von Wolfratshausen besucht.

Mitten im wunderschönen Ambiente eines bewirtschafteten Bio-Bauernhofes mit seinen gackernden Hühnern, schnatternden Enten und wiehernden Pferden, befindet sich die Werkstatt von Kunstschmied Tom Carstens.

Wer die Schmiede betritt, merkt gleich, dass hier eine besondere Atmosphäre herrscht. Hier ist jemand am Werk, den sein Beruf begeistert und der ihn mit viel Liebe zum Detail ausübt.

Jede der Maschinen hat eine besondere Geschichte, sei es der 140 Jahre alte Federhammer, auf dem noch das Kaiserwappen prangt, oder das moderne Plasmaschneidegerät. Der Großteil der Werkzeuge ist selbst geschmiedet, „da individuelle Schmiedekunst ebenso individuelles Werkzeug benötigt“, so Carstens.

Mit diesen Maschinen, Werkzeugen und natürlich nicht zuletzt seinen begabten Händen repariert Carstens Gebrauchsgegenstände, gestaltet Schmuckstücke, Dekorationsobjekte, Skulpturen, Zäune, Gartentore, Denkmäler und Grabschmuck, um nur einige seiner Arbeiten zu nennen. Jedes der hier gefertigten Gegenstände versucht Carstens auf den Kunden abzustimmen. Ihm ist es wichtig, dass die Geschichte und Persönlichkeit des Auftraggebers in seine Werke einfließen.

Inspiration durch Begegnung

In der Schmiede von Tom Carstens bekommen Sie alles – außer Massenware und „Kunst von der Stange“. In seinen Kreationen spielt der Kunstschmied mit Formen und Farben und geht dabei auch nach langjähriger Erfahrung immer noch gerne neue Wege.

Carstens ist es bei allem Fortschritt dennoch wichtig, dass eigentliche Handwerk des Schmiedes (heute: Metallgestalters) nicht zu vergessen. „Handwerk kann ohne Kunst leben, aber Kunst nicht ohne Handwerk“ ist seine Devise. So gehören zu seinem Aufgabengebiet auch Reparaturen für die Bauern aus der Umgebung oder auch das ein oder andere Pferd zu beschlagen.

Seine Werkstatt beschreibt Carstens als „Ort der Begegnung“. Er lebt den Gedanken von Ressourcenbündelung. Warum sollte jeder Schmied und Handwerker seine Werkstatt mit zigfach teuren Maschinen ausstatten, wenn man sich diese auch teilen kann. Tom Carstens arbeitet auf diese Weise immer mal wieder mit anderen Schmieden zusammen, die sich abwechselnd in ihren Werkstätten besuchen, um sich ein Gerät auszuleihen oder sich gegenseitig in der Gemeinschaft zu inspirieren.

Zudem hat grenzüberschreitender Kontakt in der Schmiedekunst ohnehin Tradition, was der sogenannte Nagelbaum in Carstens Werkstatt bezeugt. Jeder Kollege, der in der Werkstatt eines anderen tätig war, schlägt einen Nagel mit seinen Initialen in den Baum. So erkennen Insider, welcher Schmied bereits in welcher Werkstatt gearbeitet hat.

Kindertraum

Den Beruf des Metallgestalters zu erlernen, war ein Kindheitstraum des 38- Jährigen. Dem im Rheingau geborenen und in Wolfratshausen aufgewachsenen kleinen Jungen imponierte schon im zarten Alter von acht Jahren der Hufschmied von „Michel aus Lönneberga“. Auch liebte er es, mit seinem Vater, einem KFZ-Mechaniker, durch verschiedene Werkstätten zu ziehen und den Geruch von handwerklicher Arbeit einzuatmen.

Er ist seinen Eltern noch heute dankbar, dass er die Ausbildung zum Metallgestalter machen durfte und nicht wie viele seiner damaligen Klassenkameraden in einer Bank oder Verwaltung lernen sollte.

Dass die Eltern mit dieser Entscheidung richtig lagen, beweisen z. B. seine Erfolge bei Teilnahmen an der sogenannten Schmiede-Biennale, der Weltmeisterschaft für Schmiedekunst im toskanischen Stia (3. Platz vor 5 Jahren, 2. Platz vor 3 Jahren mit einem gemeinschaftlichen Werk in Zusammenarbeit mit einem Kollegen)!

Wanderjahre

Nach der Ausbildung zum Kunstschmied und staatlich anerkannten Hufschmied begab sich der damals 24-Jährige auf eine fast fünfjährige „Wanderschaft“ mit dem VW-Bus. Diese begann in Oldenburg und führte ihn quer durch Europa, mit Stationen in Norwegen, Tschechien, Frankreich und Italien. In dieser Zeit arbeitete er für viele renommierte und angesehene Meister. Besonders lang hielt es ihn beim 2008 verstorbenen „Schmiede-Papst“ Professor Alfred Habermann, in dessen Obhut er die 2 ½-jährige Ausbildung zum Bildhauer absolvierte.

Auch heute treibt es ihn noch ein- bis zweimal im Jahr ins Ausland, dann führt er Projektwochen oder Fortbildungen durch und lässt andere an seiner Liebe zum Eisen teilhaben.

Als es ihn wieder in seine Heimat zurückzog, vervollständigte er sein Können in einer „Garagenwerkstatt“ in Wolfratshausen, bis er im Jahr 2008 seine jetzige Werkstatt samt Wohnung auf dem Degerndorfer Butzmohof bezog.

Work-Life-Balance

Mit diesem Umzug erfüllte sich für Carstens gleich der zweite Kindheitstraum, denn schon als Kind und Jugendlicher gefiel es ihm besonders gut in dem beschaulichen 600-Einwohner Dorf. „Vielleicht nicht zuletzt, da bei Radltouren zum Starnberger See das kühlende Nass nach dem Degerndorfer Berg nicht mehr weit war“ schmunzelt Carstens. Hier kann er nun alles vereinen: arbeiten, die Natur spüren und das Leben mit seiner Frau genießen. Sogar sein Pferd Tamino, ein Morgan Horse-Mix Wallach, hat hier seinen Platz gefunden.

Dass auch seine Frau die Leidenschaft für das Schmieden übernommen hat, krönt sein Glück. So verbringen seine Frau und er manchen Abend nicht wie andere Paare vorm Kamin, sondern vor dem 2500° heißen Essefeuer.

Intuition statt Theorie

Sowieso ist die Werkstatt für Tom Carstens nicht nur Arbeits-, sondern vielmehr eine Begegnungsstätte, in der man sich gegenseitig inspiriert und voneinander lernen kann. So bietet Carstens im Rahmen seiner Tätigkeit auch Praktika, Schulprojekte und Workshops für Groß- und Klein an.

Die Arbeit mit erwachsenen „Schmiede-Laien“ verschiedenster Gesellschaftsschichten, mit Kindern oder Jugendlichen bereitet ihm viel Freude. Von ihnen lernte er auch, dass man nach dem Motto „Viele Wege führen nach Rom“ die Theorie nicht zu ernst nehmen darf, man auch mal zulassen muss, dass es anders sein darf oder kann. „Gerade bei Kindern ist immer wieder ersichtlich, wie viel das intuitive Gefühl zu einem Werkstoff bei der Arbeit ausmacht“, so Carstens.

Amboss gesucht

Übrigens, wer Carstens einen Wunsch erfüllen möchte, kann dies tun, indem er ihm einen alten Amboss auf dem Butzmohof vorbeibringt. Diese sammelt er im Vorraum seiner Schmiede; der älteste ist immerhin aus dem 17. Jahrhundert. Aber auch ohne Amboss im Gepäck sind sie bei Tom Carstens jederzeit herzlich willkommen!

Über den Autor

Sandra Johnson

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