Dahoam war zu Gast bei der Hirschkuss-Produktion und hat einen Blick hinter die Kulissen des sympathischen Familienunternehmens geworfen.
Ein schöner Sommertag im oberbayrischen Gaißach, eine angenehm kühle Produktionsstätte mit heimatlichem Flair, im Hintergrund läuft ein bayrischer Radiosender und mittendrin drei motivierte Hirschkuss-Mitarbeiter/innen beim Abfüllen und Etikettieren des beliebten Kräuterlikörs. Wir merken gleich, dass in diesem Werk nicht die typisch hektische Lager- und Produktionshausatmosphäre herrscht, sondern es vor allen Dingen eines tut: „menscheln“.
Es ist spürbar, dass Hirschkuss etwas ganz Besonderes für die Mitarbeiter ist. Befragt man die Angestellten, beginnen ihre Augen zu leuchten: „Was mir an der Arbeit für Hirschkuss gefällt? Hier wird das Produkt noch als Produkt gesehen, es geht nicht rein um die Umsatzzahlen, sondern vor allem darum, Qualität zu produzieren. Außerdem stehen wir in sehr kollegialem Kontakt, alle helfen zusammen“, so Martina Pröbster, eine der ersten Mitarbeiterinnen der florierenden Likörproduktion. Renate Hoeft, seit einem Jahr voller Engagement dabei, meint: „Es ist einfach die ganze Atmosphäre. Man fühlt sich wohl hier. Der Kontakt zueinander stimmt, ob ich im Laden oder in der Produktion arbeite, es macht immer viel Spaß.“ Dass die Chemie zwischen ihren Mitarbeitern stimmt, liegt Frau Waldherr-Merk besonders am Herzen: „Wir suchen unsere Angestellten nicht rein nach ihren Qualifikationen aus, sondern auch danach, wie sie ins Team passen.“
Ingesamt gehören derzeit 23 Mitarbeiter/innen aus der nahen Umgebung zum Firmenstamm, acht davon werden im Normalfall in der Produktionshalle, die gleichzeitig als Lagerraum genutzt wird, eingesetzt. Die Arbeitszeiten sind mitarbeiterfreundlich – von 9.00 bis 17.00 Uhr. 1000 Liter Likör werden an solch einem Arbeitstag per Hand abgefüllt.
Von der heimischen Kellerproduktion zur modernen Produktionsstätte
Dass Hirschkuss seinen Sitz an diesem schönen Fleckchen Erde hat, verdankt Frau Waldherr-Merk einem Zufall, der, wie sie selbst sagt, eigentlich keiner ist. Denn sie ist überzeugt davon, dass alles so kommen sollte. Erst die Weitergabe der streng gehüteten Familienrezepte ihrer Großtante, dann die begeisterte Reaktion der Probanden auf die ersten Versuche ihrer Likörherstellung bis hin zum jetzigen Firmenerfolg: „Es ist einfach eine wunderbare Geschichte, alles hat genau so geklappt, wie es klappen sollte.“
Das bedeutet aber nicht, dass die stets positiv gestimmte Unternehmerin nicht auch manch schlaflose Nacht beim Bau der neuen Produktionsstätte gehabt hätte. „Da stirbt man schon den ein oder anderen Tod, aber wir haben nach dem Erreichen der Kapazitäten unserer Kellerproduktion einfach alles auf eine Karte gesetzt. Unser Glück war natürlich, dass die Bank unsere Vision hinsichtlich der Hirschkuss-Zukunft für glaubwürdig eingestuft hat, denn ohne die Vollfinanzierung von 1,8 Millionen Euro wäre der Bau des Gebäudes inklusive des Grundstückserwerbs nicht möglich gewesen.“ Dass die Bank mit ihrer Finanzierungszusage das richtige Gespür hatte, liegt auf der Hand, denn die Nachfrage ist seit dem Umzug in das neue Gebäude um das Doppelte gestiegen.
Über das Produktionstreiben wacht der „heilige Michael“, der Schutzheilige von Gaißach. Den hat Frau Waldherr-Merk kurz vor Eröffnung des neuen Werkes auf einem Flohmarkt entdeckt und ihm einen Ehrenplatz mit Blick über die gesamte Lager- und Produktionshalle verschafft.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Wenn die Unternehmerin ihren Blick durch die Firma schweifen lässt, ist sie jeden Tag aufs Neue froh, dass sie den Schritt zur professionellen Likörproduktion gewagt hat.
Dass die Rezepte ihrer Großtante ihr einmal zu solchem Erfolg verhelfen würden, hätte sie im Jahr 2005 aber noch nicht gedacht. „Als ich die ersten Liköre in meinem Elternhaus ansetzte, waren diese ausschließlich zum Ausschank für Kunden meines Lenggrieser Accessoiregeschäftes gedacht.“ Doch der Geschmack ihres ersten selbstgemachten Likörs kam sehr gut an. Als immer mehr Kunden den Kräuterlikör auch kaufen wollten, baute sich Frau Waldherr-Merk deshalb im Keller ihres Elternhauses eine eigene kleine Likörproduktion auf, deren Produktionsvolumen von Jahr zu Jahr anstieg.
Dass Petra Waldherr-Merk auch ihren Sohn Felix Merk (heutiger Marketingleiter) und ihren Lebensgefährten Burckhard Winkel (heutiger Produktionsleiter) an ihrer Seite hatte, half der Jungunternehmerin. So konnte auch der Rechtsstreit mit Jägermeister über die Verwendung des Logos (Jägermeister empfand das erste Hirschkuss-Logo als zu ähnlich) dem Enthusiasmus der Unternehmerfamilie nichts anhaben. Erstens ging alles gut aus, zweitens verhalf ihr die Unstimmigkeit mit der großen Likörfirma durch die Berichterstattung in den Medien sogar zu wachsender Bekanntheit.
Innerhalb von vier Jahren war die Nachfrage so groß, dass die Kellerproduktion an ihre Grenzen stieß. Im Jahr 2010 eröffnete deshalb die Gaißacher Produktionsstätte „Genuss Manufaktur“ im typischen Stil eines Isarwinkler Bauernhauses. Hier werden neben dem bekannten Kräuterlikör auch die Sorten Birndl, Kernlos und Vogelgezwitscher sowie die Edelbrände Bockbrand, Williamsbirne und Himbeergeist produziert.
Zudem beherbergt die „Genuss Manufaktur“ einen Laden mit vielem, „was der Seele gut tut“. Neben erlesenen Lebensmitteln, charmanten Möbeln und Wohnaccessoires sowie interessanten Büchern und individuellen Geschenkartikeln kann man hier die Hirschkuss-Liköre und Brände in verschiedenen Größen erwerben.
„Nicht den dritten Schritt vor dem ersten machen“
Befragt nach ihrer Zukunftsvision ist Frau Waldherr-Merk im Zwiespalt, zum einen möchte sie expandieren und sieht gerade in Deutschland auch noch großes Potential, zum anderen aber auf gar keinen Fall ein unkontrolliertes Wachstum zulassen. Anfragen kommen genug, auch von großen Ketten, aber an erster Stelle steht für die Unternehmerin die Einhaltung der Firmenphilosophie, wozu die Produktion vor Ort und von Hand gehört. „Ich möchte, dass unser Produkt immer ein ehrliches bleibt, dazu gehört natürlich, dass auch weiterhin jede einzelne Hirschkuss-Flasche von Hand abgefüllt wird. Das ist für uns das oberste Gebot. Außerdem müssen meine Mitarbeiter und ich natürlich auch selber mitwachsen. Da darf man nicht den dritten Schritt vor dem ersten machen.“
Petra Waldherr-Merk ist zudem überzeugt davon, dass gerade der jetzige Vertriebsweg wesentlich zum Erfolg beiträgt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass ausschließlich solche Unternehmen die Hirschkuss-Produkte vertreiben, die zu 100 Prozent hinter dem Produkt stehen.
Dass sie wachsen wollen und werden, ist aber klar und bereits in Planung. Die Finanzierung für die Verdopplung der Betriebsfläche hat die Bank bereits abgesegnet.
Der nächste Meilenstein in der Hirschkuss-Geschichte wird aber erst einmal der Vertrieb in die USA sein. Die Genehmigung für den Export der 0,75-Liter-Bügelflaschen, auf die das Unternehmen seit Oktober 2010 gewartet hat, ist endlich erteilt, nun steht nur noch die Zustimmung zu den Etiketten aus.
Ein Ausblick
„Die Entwicklung neuer Hirschkuss-Sorten steht derzeit nicht an, dafür fehlt momentan einfach der Platz“, erklärt Frau Waldherr-Merk. Etwas Neues im Hirschkuss-Sortiment wird es ab Spätsommer dieses Jahres aber dennoch geben. Die erfolgreiche Unternehmerin hat wieder einmal die schriftlichen „Schätze“ ihrer Großtante gewälzt, die nicht nur Rezepte für Liköre, sondern auch Zubereitungstipps für natürliche Kosmetik- und Naturheilmittel bereithalten. Aus diesem Fundus hat Frau Waldherr-Merk zwei Räuchersets entworfen, die ihren Kunden den (nicht nur bayrischen) Brauch des Ausräucherns wieder näherbringen sollen.