In Ohlstadt fand die Bayerische Forstmeisterschaft statt. Am Vorabend des Gaujugendtages, am 4. Juli, richtete der örtliche Trachtenverein diesen Wettbewerb mit den Disziplinen „Baumkugeln, Hacken und Sägen“ aus. Wir waren dabei und haben mitgefiebert
Von der Decke des Festzelts hängen blau-weiße Fahnen. Immer mehr Besucher kommen herein, die meisten von ihnen in Lederhose oder Dirndl. Auf der Bühne liegen Baumstämme in unterschiedlicher Dicke, fein säuberlich nummeriert. Manche mit Zurrgurten auf Tischhöhe befestigt. Links hängt eine Bayernfahne, rechts eine elektronische Tafel für die digitale Zeitmessung. Darunter, an einem Pult mit Laptop, sitzt das Kampfgericht. Das dreiköpfige Team wacht über das Einhalten der Wettkampfbestimmungen. Die teilnehmenden Männer mit ihren ausgeprägten Bizeps- und Trizeps-Muskeln prüfen ihre Äxte, Hacken und Sägen. Hier und da wird auf die Werkzeuge noch ein wenig Öl gespritzt. Freudige Spannung liegt in der Luft.
Keuchen, hecheln, brüllen
Zehn Zweierteams treten zur Kraftprobe an. Es gilt, einen unförmigen Baumstamm mit einer Art Kralle (Fachbegriff „Sapie“) von einem Ende der Bühne zum anderen zu bewegen, einen Fichtenrundling mit 18 Zentimeter Durchmesser durchzuhacken und anschließend mit der „Wiagsog“ (Fachbegriff „Hobelzahnsäge“) eine Fichtenscheibe abzuschneiden. Manfred Poschenrieder, Moderator und Ansager auf der Bühne, erklärt die Regeln und erinnert sich, dass diese Wettbewerbe schon seit Jahrzehnten in Murnau und Umgebung stattfinden. Schließlich wollen die jungen Burschen ihre Fertigkeiten und Kräfte messen. Das Baumkugeln stellt die erste Herausforderung dar. Muskelkräfte allein nützen hier nichts. Jahrelange Erfahrung im Umgang mit einem Sapie hingegen schon, einer Mischung aus Hammer und Wendehaken, wie er bei der Arbeit im Wald zum Einsatz kommt. Mit dem im Alpenraum verbreiteten Werkzeug wird der rumpelige Koloss über die zehn Meter breite Bühne manövriert und geschickt in die hierfür vorgesehenen Markierungen gelotst und dabei so bugsiert, dass er möglichst nicht aus der Bahn gerät. Denn wenn das eiernde Holzungetüm die Richtung verliert, verstreichen wertvolle Sekunden.
Spannung pur
Nach dem Baumkugeln dürfen die beiden Wettkämpfer zeitgleich mit der zweiten Disziplin weitermachen, dem Durchhacken eines Fichtenstammes. Unter Keuchen und Hecheln fliegen die Späne meterweit. Sogar auf den Tischen der Zuschauer landen sie. Was für eine Show! Manches Kind hält ein Stück aufgefangenes Holz stolz wie eine Trophäe in die Höhe. Beim Anfeuern ihrer Favoriten sind die Gesichter der Zuschauer fast genauso rot wie die der Akteure auf der Bühne. Nach dem Baumkugeln und dem Hacken ist das Wiagsog-Schneiden der letzte der drei Wettbewerbe, die virtuos in Szene gesetzt werden. Das Johlen der Zuschauer begleitet die Akteure auf der Bühne. Mit einer heute nicht mehr gebräuchlichen Säge in Wiegeform soll eine ordentliche Scheibe des Fichtenstamms abgesägt werden. Sobald sie zu Boden fällt, wird die Zeit gestoppt.
Wettbewerbsvorteil
Die Wiagsog, also die Wiegesäge, ist sicher das eindrucksvollste Werkzeug des Abends und eine Reminiszenz an alte Zeiten. Denn heute werden Bäume mit Motorsägen gefällt, und nur noch wenige Spezialisten wie ältere Waldarbeiter wissen um die Geheimnisse der Schneidegeometrie dieser kunstvoll geschliffenen, gefährlich scharfen Werkzeuge. Jeder, der heute in Ohlstadt antritt, hat solch ein historisches Schneidegerät in Familienbesitz und pflegt es hingebungsvoll. Der Forstdreikampf ist auch eine Möglichkeit, das Wissen der Vorfahren am Leben zu erhalten und in die Gegenwart hinüber zu retten. Keiner fälle im 21. Jahrhundert in unseren Breitengraden noch Bäume von Hand, und doch sei es gut, diese Technik zu beherrschen, findet Markus Michl, der dieses Jahr bereits am 19. März einen anderen Forstdreikampf gewann. Der größte Wettbewerbsvorteil sei es, sein Einkommen nicht bei einem Bürojob zu verdienen. Die antretenden Rivalen sind denn auch alle in Branchen tätig, die eher als tatkräftig zu bezeichnen sind: Metzger, Spengler, Zimmerer. Man kennt sich. Manch einer stand, wie Markus Michl, schon bei einem anderen Wettbewerb auf dem Treppchen oder gewann beim Fingerhakeln.
Traumzeit
Sieger des Abends werden mit der Traumzeit von 1 Minute und 12,89 Sekunden Jakob Miller aus Leibersberg und Sepp Finsterwalder aus Aidling. Die beiden sind das erste Mal dabei und durften die vergangenen drei Monate bei Markus Michl und seinem Partner Nikolaus Käser trainieren. „Unsere Lehrbuam“, schmunzelt er. Den Triumph gönnt er ihnen von Herzen. Zwischen dem ersten und dem zehnten Platz liegt nicht einmal eine Minute Unterschied. Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne wurde zehnmal ein Baum über die Bühne hin und her gekugelt, ein Fichtenstamm durchgehackt und eine ansehnliche Baumscheibe abgesägt. Da ist es wahrlich keine Schande, auf dem letzten Platz zu landen. Und so regiert auch der olympische Gedanke „Dabei sein ist alles“ bei der Siegerehrung. Neben einer Urkunde erhält jeder Teilnehmer einen der gestifteten Preise, nimmt sich der Reihe und seinem – im wahren Wortsinn – Abschneiden nach das, was ihm am attraktivsten erscheint. Es gibt Bergschuhe, Werkzeuge, eine Hausbank, eine Kinderwiege und vieles mehr. Und was suchen sich die Gewinner des ersten Platzes aus? Die beiden Motorsägen.