Kunst & Handwerk

Zu Gast bei Preysing, Ernst & Co.: Die Fischer vom Tegernsee

Was der Tegernsee hergibt, das holen Christoph von Preysing, Simpert Ernst und ihre Kollegen heraus. Auch Exotisches organisieren sie, egal ob Austern, Kaviar oder Seezungenfilets. Gemeinsam feiern die smarten Berufsfischer in diesem Jahr das elfjährige Fischerei-Bestehen.

Man übersieht es schnell, das kleine, aber feine Geschäft der „Fischerei Tegernsee“ in direkter Nachbarschaft zum berühmten Bräustüberl. Dabei geht es hier hoch her, und das nicht erst ab neun Uhr am Morgen, wenn sich die schwere Holztür des Fischereiladens offiziell öffnet. In aller Herrgottsfrühe, von morgens sechs bis abends sechs – und das von Montag bis Samstag – wird hier Feinarbeit am Fisch geleistet, zu Land und auf dem Wasser.

Fischverkauf am Fließband

Hier geht es buchstäblich zu wie im Taubenschlag. Während hinten Renke, Saibling & Co. im Akkord fangfrisch vorbereitet werden, landen vorn am Tresen allerhand kulinarische Genüsse aus dem Wasser in den Tüten kauffreudiger Kunden. Rohe Fische, aber auch verarbeitete Produkte wie Räucherfischcreme oder Saiblingskaviar. „Öffnungszeiten kennen die Leute hier nicht, die kommen, wann sie wollen. Aber das ist ja auf der einen Seite auch das Gute daran“, erklärt Christoph von Preysing, der den Betrieb gemeinsam mit Partner Simpert Ernst, ebenfalls Fischwirtschaftsmeister, führt. Bei ihrer Arbeit ergänzen sich die jungen Männer perfekt. Während von Preysing ein Händchen für feine Kundschaft hat, wurde Ernst das Fischerhandwerk schon in die Wiege gelegt. Dabei wollte der 28-Jährige, der aus einem seit Jahrhunderten in Dießen am Ammersee ansässigen Fischergeschlecht stammt, ursprünglich Bauschlosser werden. Erst danach suchte er eine Lehrstelle als Fischer und fand diese im Betrieb von Michael Ostermeier, der nicht nur die Tegernseer und Bad Wiesseer Fischerei, sondern auch die Herzogliche Fischzucht in Wildbad Kreuth gepachtet hat. Am Tegernsee will Simpert Ernst nun vorerst bleiben. Nicht nur, weil das Geschäft „echt super“ läuft. Auch die Fische fühlen sich in dem Gewässer pudelwohl, was mit Sicherheit auch daran liegt, dass der Tegernsee einer der saubersten Seen Bayerns ist: neun Quadratkilometer Heimat für Hechte, Renken, Saiblinge, Weißfische und Seeforellen.

Wunschberuf Seenfischer

Gut eineinhalb Stunden sind die Fischer jeden Morgen auf dem Wasser. Vom urigen Bootshaus in Tegernsee bis zu den Netzen in der Egerner Bucht sind es mit dem Motorboot knapp zehn Minuten. Im Hintergrund thront stolz der Wallberg, Wahrzeichen des Tegernsees und mit 1722 Metern die höchste Erhebung im Tal. Einen schöneren Arbeitsplatz kann man sich kaum vorstellen. Zumindest im Sommer, weiß Simpert Ernst. „Wenn du mal rausfährst bei Minus 10, 15 Grad, bei Wind und so, da hockst du lieber im Büro.“ Tauschen würde er den Job dennoch um keinen Preis. Genauso wenig wie Lehrling Michael Egger. Der kämpf derweil im Fischerboot verbissen mit einem Hecht, der wütend zappelnd im Netz festhängt. Er wehrt sich, schlägt mit seiner Schwanzflosse wild umher – vergeblich. Mit ein paar Griffen befreit der 21-Jährige den Fisch und wirft ihn in einen Bottich in der Mitte des Bootes. Darin schwimmen bereits vier Renken und zwei Rotaugen. Gelernt ist eben gelernt. „Ich hab immer schon, als kleiner Bursche so mit zehn, elf, mitgeholfen und bin mit dem Simpert und mit dem Christoph rausgefahren. So hab ich das Taschengeld verdient“, schwärmt Michael Egger. Im letzten Sommer ist er dann ganz in die Fischerei gewechselt und macht jetzt eine Ausbildung zum Berufsfischer – „aus „Leidenschaft am Fisch“.

Traditionshandwerk mit Zukunft

Der Hecht bleibt vorerst am Leben und schwimmt im fischereieigenen Bassin. Über Saibling, Forelle und Renke bis hin zum Aal haben hier die Feinschmecker die Qual der Wahl. „Unser Beruf besteht längst nicht mehr nur aus dem reinen Einholen von Fischen“, erzählt Simpert Ernst. Das Berufsbild habe sich gewandelt, sei vielfältiger geworden. So holen er und seine Kollegen die Leckerbissen nicht nur aus dem See heraus – sie setzen sie vorher auch ein, für den Erhalt der Fischbestände. Um die Aufzucht der Fischbrut kümmert sich Fischerei-Pächter Michael Ostermeier persönlich. Schon die Mönche setzten Renken in den See. Damit die Fische nicht ausgehen, legten die Brüder einst Gehege zur Nachwuchspflege an. Mit der Verstaatlichung der kirchlichen Besitztümer um 1802 endete dann die klösterliche Fischerei. Geblieben sind die Fischzuchten in Luisenthal und Bad Wiessee sowie die Fischzuchtbecken in Wildbad Kreuth. Dort schwammen vor wenigen Stunden wohl auch noch die prächtigen Saiblinge, die Simpert Ernst eben frisch aus dem Rauch holt; die räuchern die jungen Männer nicht nur zum Hausverkauf, sondern beliefern außerdem sämtliche Sternehotels am See.

Fisch ist in, nicht nur am Tegernsee

Vier Stunden dauert es, bis die Räucherfische im warmen Erlenrauch ihren unverwechselbaren Geschmack erhalten. Davor waren sie über Nacht in einer Gewürzlake nach Geheimrezept eingelegt. Nach einer Abkühlphase werden sie von den „Petrijüngern“ filetiert. „Das hat sich in den letzten Jahren total gewandelt, dass sich die Leute den Fisch auch filetieren lassen“, stellt Christoph von Preysing fest, „überhaupt wird seit einigen Jahren wieder vermehrt Fisch gegessen.“ Das läge wohl vor allem an den vielen Kochsendungen, ist er sich sicher. Nachteil sei natürlich, dass in den Shows nicht erzählt würde, wie viel Geld man beispielsweise für einen Edelfisch auf den Tisch legen müsse. „Die sehen ein Stück Filet von der Seezunge, und wenn dann ein Kilo 150 oder 200 Euro kostet, sind die erst mal geschockt.“ Von Preysing, der mit fünf Jahren seine erste Angel geschenkt bekam, kocht in seiner Freizeit selbst sehr gerne, „aber nicht nur Fisch“, fügt er schmunzelnd hinzu. Simpert Ernst hingegen könnte Fisch jeden Tag essen – „jederzeit“. Meeresfisch und Krustentiere gibt es in der eigenen Fischerei jedoch nur von Mittwochnachmittag bis Samstag – wegen der Frische. Seezunge, Seeteufel, Hummer, Langusten, Krabben und Austern schmücken dann die Fischvitrine. Vor dem Laden der Fischerei Tegernsee direkt an der Hautstraße schwingt sich Azubi Michael aufs Radl, samt Tablett voll Fischfilets – „fürs Bräustüberl“. Die feinen Saiblinge „aus dem Rauch“ kommen auch hier täglich frisch auf den Tisch. Die kann man übrigens auch direkt in der Fischerei rauchfrisch genießen. Allein das ist einen Besuch wert.

Über den Autor

Simone Rosner

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