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Hirschkuss: Interview Petra Waldherr-Merk

Petra Waldherr-Merk führt zusammen mit ihrer Familie die florierende Likörproduktion „Hirschkuss“ im heimeligen Örtchen Gaißach, nahe Lenggries. Wir von Dahoam wollten wissen, was ihr Erfolgsgeheimnis ist.

Dahoam: Frau Waldherr-Merk, Sie haben das Rezept für Ihren „Hirschkuss“ vor etwa 5 Jahren von ihrer Großtante erhalten, die diesen Kräuterlikör bis dahin ausschließlich in kleinen Mengen für den Hausgebrauch herstellt hat. War ihnen damals schon klar, dass sich aus der Überlieferung des alten Rezeptes ein neuer Berufsweg für sie entwickeln könnte?

Petra Waldherr-Merk: Nein, das war überhaupt nicht anzunehmen. In erster Linie ging es darum, dass die Rezepte in der Familie bleiben und nicht in Vergessenheit geraten. Es hat dann einfach ganz viele Zufälle gegeben, dass es letztendlich so gekommen ist. Ich habe den Kräuterlikör Kunden in meinem damaligen Lenggrieser Geschäft in der Weihnachtszeit zum Probieren angeboten, woraufhin die Nachfrage, ob man diesen auch kaufen könnte, immer größer wurde. Da wir auf diesem Gebiet aber quasi „Laien“ waren, haben mein Lebensgefährte und ich die Produktion über Jahre erst einmal nebenbei ausprobiert. Es war dann wirklich ein großes Glück, dass alles so gekommen ist, wie es jetzt ist.

Was bedeutet Tradition für Sie?

Auf der einen Seite ist Tradition natürlich, das weiterzuführen, was unsere Vorfahren uns übermittelt haben. Wenn ich die Frage auf die Likörherstellung beziehe, versuchen wir Tradition so zu leben, dass wir zwar nach dem alten Rezept produzieren, das Ganze aber nicht „verstaubt“ wirken lassen. So sind unsere Produkte z. B. in bayerischen Bügelverschlussflaschen abgefüllt oder unser Hirschlogo ist an das Lenggrieser Heimatwappen angelehnt. Auf der anderen Seite versuchen wir aber, Moderne und Entwicklung zuzulassen.

Hirschkuss erfreut sich immer größerer Beliebtheit – wie gehen Sie mit der unweigerlichen Expansion um? 

Wir haben vor, anzubauen und neue Mitarbeiter einzustellen, da wir merken, dass wir mit unserem derzeitigen Auftragsvolumen an unsere Grenzen stoßen. Da bei uns alles von Hand abgefüllt wird, benötigen wir ja nicht nur den Platz zum Abfüllen, die Flaschen müssen auch etikettiert und verpackt werden, was eine Menge an Personal erfordert. Außerdem braucht es natürlich auch Platz für die Lagerung der Ware.

Immer mehr regionale Unternehmen lagern ihre Produktion aufgrund der niedrigerer Kosten aus. Ist Ihnen dieser Gedanke auch schon einmal gekommen?

Nein, ganz und gar nicht. Denn ich glaube, gerade wenn man ein Herstellungsbetrieb ist, ist es ganz wichtig, vor Ort zu sein und alles im „Griff“ zu haben. Dadurch, dass bei uns noch alles von Hand abgefüllt wird, durchlaufen unsere Flaschen vielfältige Qualitätskontrollen. Wir kennen alle unsere Mitarbeiter und wissen, dass wir uns voll auf sie verlassen können und sie 100% hinter unserem Produkt stehen. Das ist bei einer ausgelagerten Produktion, denke ich, nicht machbar. Wissen Sie, es ist schwierig, eine Marke aufzubauen, aber sehr leicht, sie wieder kaputt zu machen das möchten wir auf keinen Fall riskieren.

Welchen Rat würden Sie ideenreichen jungen Menschen aus unserer Region hinsichtlich der Erfüllung Ihres eigenen „beruflichen Traumes“ raten?

Grundsätzlich Visionen nachzugehen, sich nicht beirren lassen, dabei aber realistisch bleiben. Ich habe bei allem, was ich gemacht habe, klein angefangen. Es kommen z. B. manchmal Leute zu mir, um einen Rat zu bekommen, wie man das große Geld verdient. Das denke ich funktioniert so nicht. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man Spaß hat und hinter dem steht, was man macht und seinen Weg geht. Natürlich geht es gerade bei neuen Geschäftsideen auch darum, ein gewisses Risiko einzugehen, es sollte aber im Rahmen bleiben, so dass man nicht völlig „auf die Nase fallen“ kann. Auch sollte man nicht zu viel fragen. Wenn wir z. B. damals gefragt hätten, ob der Markt noch einen Kräuterlikör braucht, hätten Experten mit Sicherheit „nein“ gesagt. Es ist nicht wirklich eine Marktlücke, die Welt hat nicht auf „Hirschkuss“ gewartet. Dennoch produzieren wir ein Nischen-Produkt, was seinen Platz auf dem Likörmarkt findet und sehr gut angenommen wird. Das heißt, es müssen erst einmal nicht Andere begeistert sein, man muss selber überzeugt sein und das nach außen tragen. Wenn man hinter seiner Idee steht und diese nachhaltig umsetzt, funktioniert in den meisten Fällen bald was. Es gibt so viele Möglichkeiten, ich glaube, man könnte fast jeden Tag etwas Neues machen.

Vielen Dank für das Interview!

Über den Autor

Sandra Johnson

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