Kleine Paradiese im Oberland. Übernachten in baubiologisch renovierten Zimmern auf Naturmatratzen. Genießen, was Natur, Region und Bio-Produktion so hergeben. Von vegetarisch bis Bio-Schweinsbraten. Wellnessoasen, Ruheinseln und eine herrliche Natur inklusive
Wie schön, dass man die Qual der Wahl hat. Auf der Suche nach Bio-Hotels und Bio-Küche im Oberland wird man bald fündig und kann sich gar nicht entscheiden. Welches Haus ist das schönste, wer hat die gemütlichsten Gasträume, wer den herrlichsten Garten, die malerischste Umgebung, die ansprechendsten Zimmer? Und wie angenehm ist es, auf die Frage nach der besten Küche mit den Achseln zucken zu müssen. Rescher Schweinsbraten vom Bio-Schwein im „Garmischer Hof“? Die fröhlich-feine Küche von Klaus Kloss im „Il Plonner“? Frische Salate und marinierte Gemüse, die zarten Fisch aus dem Starnberger See begleiten und sogar aus dem eigenen Demeter-Garten stammen, wie im Schlosshotel Oberambach? Die bayrisch-mediterranen Köstlichkeiten nebst herrlichster Aussicht auf der Sonnenterrasse vom „Moarwirt“ oder die Frischeküche des stattlichen Guts Sonnenhausen ganz in der Nähe der Bio-Kultstätte Herrmannsdorf? Beinahe hätten wir die Entscheidungsschwierigkeiten vergessen, in die uns die opulente Karte vom „Alten Wirt“ in Grünwald gebracht hat und wie wir schließlich mit Antipasti im Balsamicogelee und einer gefüllten Landgockelbrust glücklich wurden. Jedes Gericht, lesen wir auf der Speisekarte, hat eine Geschichte. „Sie beginnt bei den Menschen, von denen wir unser Fleisch, unseren Fisch oder unser Gemüse beziehen. Sollen wir mehr erzählen?“ Fragen über die Herkunft der Zutaten sind also ausdrücklich erwünscht, und so manchen Geheimtipp für den eigenen Einkauf in der Region kann man auf diese Art bekommen. Denn man achtet hier wie überhaupt bei allen Stationen unserer Reise nicht nur auf „bio“, sondern auf allererste Qualität.
Wellness am Starnberger See
Beginnen wir am Starnberger See und im Schlossgut Oberambach der Familie Schwabe. 1999 erwarben sie den denkmalgeschützten Herrschaftssitz aus dem 15. Jahrhundert, renovierten ihn mit behutsamer Hand unter baubiologischen Gesichtspunkten und hauchten ihm ein ausgesprochen passendes neues Leben ein. Die Fußböden sind ebenso wie viele Möbel aus Holz, das mit Bienenwachs und anderen Naturpflegemitteln behandelt wurde, sodass das Haus mit seinen 40 Zimmern sogar von Bioland empfohlen wird. An klaren, sonnigen Tagen genießt man den Panoramablick auf die Berge, der Starnberger See ist in Fußnähe, oder man badet im hoteleigenen Schwimmteich. Wellnessfans sollten eines der Schnupperwochenenden nutzen und sich vom Team des Vitalzentrums mit ganzheitlichen Anwendungen, Naturkosmetik und Therapien aus der Naturheilkunde verwöhnen lassen. In den acht von Tageslicht durchfluteten, in warmen Erdtönen gehaltenen Behandlungsräumen entfalten Entspannungsmassagen oder Shiatsu ihre Wirkung, ergänzt durch Yoga und Ayurvedabehandlungen. Viele der Besucher wurden Stammgäste dieses geschichtsträchtigen Ortes: Erstmalig Erwähnung findet das „Schlossgut Oberambach“ 1476, damals im Eigentum des Klosters von Schäftlarn. Zum Herrensitz ausgebaut wurde das Gut um das Jahr 1870 unter Freiherr von Lobkowitz. Im Besitz von Baron von Kleydorff entwickelt sich Oberambach ab der Jahrhundertwende zum Treffpunkt von Künstlern, Literaten und Freidenkern. Auch die Künstler des Blauen Reiters sollen sich hier getroffen haben. Passend dazu bietet man Genießertage zum Kompaktpreis, in dem gleich die Eintrittskarten für Buchheim Museum, Franz Marc Museum, Schlossmuseum und Münterhaus in Murnau enthalten sind.
Ein Dorf-Gasthof der besonderen Art
Baubiologisch renoviert, und zwar von Handwerkern aus der Gegend, sind auch die Zimmer vom „Alten Wirt“ in Grünwald vor den Toren Münchens oder vom wunderbaren Dorf-Gasthof Il Plonner des bayrisch-italienischen Paares Petrone im Zentrum von Oberpfaffenhofen. Auf der Karte findet sich nur Bio-Zertifiziertes, doch wer glaubt, es gäbe nur Müsli und Tofuschnitten, der täuscht sich. Koch Klaus Kloss vom „Plonner“ versteht sich auf konzentrierte Soßen zum heimischen Wild und auf edle Kräuterküche, aber er zaubert auch mediterrane Klassiker zum wirklich günstigen Preis auf den Tisch, wie etwa Pizza oder Pasta. Der Pizzateig, ebenso wie das Brot und überhaupt die meisten anderen Speisen, die man sonst gerne fertig kauft, sind hier hausgemacht. Von der Marmelade zum Frühstück bis eben zum knusprigen Pizzateig aus Dinkelmehl.
Bio-Bier aus Hadern
Auch Wein und Bier sind bio. Letzteres kommt neuerdings sogar von hier. Mit dem „Haderner“ braut Thomas Girg im Münchner Ortsteil Großhadern das erste Bio-Bier Münchens. Das passt hervorragend zu bayrischen Spezialitäten. Denn inzwischen hat sich die Bio-Küche gemausert, beziehungsweise ist es gottlob wieder häufig zu finden, dass ganz normale bayrische Schmankerl mit Bio-Zutaten gekocht werden. Obatzda aus Bio-Käse, verfeinert mit Bio-Butter, und der klassische Schweinsbraten mit Dunkelbiersoße – von Schweinen, die ein gutes Leben hatten, langsam gemästet und stressfrei geschlachtet wurden. Das sollte auch jene von Bio-Küche überzeugen, die meinen, bio sei gleichzusetzen mit freudlos, sparsam, vegan. Obwohl man auf der Tour durch die Bio-Küchen des Oberlandes mit Genuss feststellt, dass Salate, Kräuter und Gemüse auch mal die Hauptrolle spielen dürfen und dass die sonst in Bezug auf Gemüse eher wenig kreative bayrische Küche von ayurvedischen Gewürzen, mediterranen oder arabischen Gerichten, von Leichtigkeit und Frische ungemein bereichert wird.
Auch dies mag – nach dem selbstverständlich nach Reinheitsgebot gebrauten Bio-Bier – Skeptiker überzeugen: Bio-Weine aus Deutschland, Österreich oder Italien versammeln sich auf den Weinkarten der Bio-Restaurants, sodass erneut die angenehme Qual entsteht, aus vielen Posten auswählen zu können beziehungsweise zu dürfen, wie beim „Alten Wirt“ in Grünwald oder beim „Moarwirt“ im malerischen Hechendorf. Doch damit nicht genug, denn es gibt beinahe nichts, was es inzwischen nicht auch in Bio-Qualität gibt. Bio-Säfte sowieso, Tee, Kaffee und Kakao fair gehandelt, aber auch Bio-Gin und Bio-Whisky, Bio-Grappa und Bio-Marillenbrand, zum Beispiel der „wahrscheinlich beste Schnaps der Welt“ von Johann und Christian Zieser aus Riegersburg in der Steiermark.
Urlaub in der Region, Genuss ohne Stress
Man tut also gut daran, ein Zimmer zu reservieren, bei all den Köstlichkeiten. Ein Tipp übrigens von eingefleischten Bio-Urlaubern. Einfach mal zu Hause bleiben, in der Nähe. Die Sportmöglichkeiten vor Ort nutzen. Wandern, Langlaufen, Schwimmen, Radeln, so wie Walter und Karin, das Ehepaar aus München, das wir in Oberambach trafen. Sie sind mit dem Fahrrad von zu Hause angereist, entspannen sich am Starnberger See. „Wir machen das öfter“, strahlt Karin, „wir sparen uns Benzin und Reisestress und genießen die Gegend.“ „Und oft“, so ergänzt Ehemann Walter, „schaut man sich ja die schönen Dinge der Gegend nicht an, weil sie ja immer da sind.“ Wie wahr, denken wir und überlegen, es ihnen nachzutun.
Gemeinwohl in Garmisch
„Das nächste Mal schaffen wir es vielleicht sogar bis nach Garmisch, zum ‚Bavaria‘ oder zum ‚Garmischer Hof‘, davon schwärmen Bekannte schon seit Langem“, erzählen Karin und Walter.
Im Bio-Hotel Bavaria in Garmisch legt man nicht nur Wert auf bio, sondern setzt auf Gemeinwohlökonomie. Dies bedeutet, dass der Unternehmenserfolg sich beileibe nicht nur am eigenen Geldbeutel misst, sondern am Wohl aller. „Ziel des Engagements ist ein gutes Leben für alle Lebewesen und den Planeten, unterstützt durch ein gemeinwohl-orientiertes Wirtschaftssystem. Menschenwürde, globale Fairness und Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung sind dabei wesentliche Elemente.“ Anstecken möchte man und vernetzen, sodass positive Veränderungen entstehen.
Daran annähern kann man sich, wenn man die eine oder andere Veranstaltung besucht, die in vielen Betrieben unserer Genussreise angeboten werden. Seien es Informations- oder Diskussionsveranstaltungen, Vorträge über Kunst, Kultur und selbstverständlich Küche oder auch Gesundheit. Schnupperkurse in die Bio-Küche werden angeboten, wie etwa im Oktober oder November vom Küchenteam des „Moarwirt“. Oder man genießt das feine Essen zur Musik, von Klassik in Oberambach bis hin zu Jazz oder Reggae im „Il Plonner“ in Oberpfaffenhofen.