Leben & Geniessen

Kräuterflüsterer: Kräuterzauber im Oberland

In der Natur oder im Kräuterpark findet man duftende Blüten und köstliche Küchenkräuter. Eine Rundreise über Wiesen und Felder zu Kräutergärten und Hofläden quer durchs Oberland

Wildkräuter, Gartenkräuter, Duftkräuter, Gewürze – eine Welt, die fast alle fasziniert. Kinder genauso wie Hobbyköche, Bäuerinnen und Städter, Menschen jeden Alters. Woran das liegt? Kräuter kann man mit allen fünf Sinnen erfassen, meint der Kräuterpädagoge Dr. Dirk Holterman. Wenn man genau hinschaut, sieht man viel, nicht nur das Kraut, die Blüte, sondern die Natur drumherum. Die Schmetterlinge, die über den Blüten schweben, allerlei Getier, die Landschaft, man nimmt sie ganz anders wahr. Wie ein Pilzsammler einen beliebigen Wald vom Pilzwald unterscheiden kann, so erkennen passionierte Wildkräutersammler schon von Weitem, wo bestimmte Pflanzen vorkommen könnten. Dass man Kräuter fühlen kann, und dies auch manchmal mit großer Vorsicht tun sollte, weiß jedes Kind, das sich der Brennnessel unvorsichtigerweise genähert hat. Aber viele Pflanzendüfte riecht man erst, wenn man die Blätter berührt und sie zwischen den Fingern zerreibt. Minze zum Beispiel entfaltet erst dann ihren typischen, frischen Geruch. Und der ganz spezielle Duft wiederum hat viel mit dem Geschmack zu tun, ätherische Öle und andere Pflanzenstoffe steigen uns in die Nase, wie zum Beispiel im Frühling beim beliebten Bärlauch, der es geruchsmäßig mit dem Knoblauch aufnehmen kann. Er bereichert Suppen, Soßen und Salate und hilft obendrein, Frühjahrsmüdigkeit zu vertreiben.

Fünf Sinne für Kräuter

Aber Kräuter hören? Als uns das erzählt wurde, schmunzelten wir zunächst etwas ungläubig. Kräuterflüsterer, denken wir, reden die mit dem Kraut oder das Kraut mit ihnen? Doch der Kräuterpädagoge klärt uns lachend auf. Nein, das sei keine Hexengeschichte: „Knicken Sie mal ein Bärlauchblatt: Es knackt! Die giftigen Blätter der Maiglöckchen, mit denen das köstliche Wildkraut verwechselt werden könnte, tun das nicht.“ Wir versuchen es und verstehen: man muss nicht nur genau hinsehen, um Wildkräuter zu erkennen, sondern man kann, darf und soll die Natur mit allen Sinnen erfassen.

Kräuterspaziergänge für Groß und Klein

Wer sich näher mit der faszinierenden Welt der Wildkräuter beschäftigen will, ist eingeladen, an Kräuterwanderungen und Wildkräuter-Kochkursen teilzunehmen, die landauf, landab von Kräuterpädagoginnen angeboten werden. Häufig sind dies Bäuerinnen, die ohnehin schon in ihren Hofläden selbstgemachte Produkte anbieten, Fruchtaufstriche, gewürzt mit Kräutern, Essige, Öle, Sirup und Tees, sogar Wildkräuterbalsamico. Wie man den macht, zeigt Frau Seidl vom Thomahof bei Königsdorf. Mit ihren Teilnehmern geht sie in die Natur und erzählt viel über die Pflanzenwelt, die Zusammenhänge und Nachhaltigkeit. Immer nur so viele Pflanzen nehmen, dass der Fortbestand gesichert ist, einzelne oder wenige Pflanzen lässt man stehen. Nur wo viel ist, kann man auch viel nehmen. Nutzen, nicht ausnutzen lautet die Devise. Aber man braucht auch gar nicht viel, um einem Gericht mit Wildkräutern einen gewissen Pfiff zu geben. Gundermann zum Beispiel hat einen ganz eigenen minzig duftenden Geruch. In großen Mengen wäre er giftig, aber das ist die Muskatnuss auch. Beim Muskat jedoch weiß man, dass man ihn nur als Gewürz nehmen darf. Die Kräuterwanderungen sollen auch den Effekt haben, die Natur mit Herz, Hirn und Hand zu erfahren und schätzen zu lernen, denn man schützt automatisch, was man schätzt!

Bio-Feinschmecker in Fischbachau

Fast hundert Jahre beschäftigt man sich bei Herbaria mit heimischen Kräutern, aber auch mit Gewürzen aus aller Welt. Nachhaltigkeit wird hier großgeschrieben. Für jedes Kraut und jedes Gewürz gibt es einen optimalen Standort. Dill, Thymian und Majoran kommen beispielsweise von Bioland-Bauern aus Franken. Im Oberland ist es mit dem Kräuteranbau schwierig, aber – so Sonja Epp von Herbaria – „wir haben hier in Fischbachau Versuchsfelder für Holler und probieren aus, welche Sorten am besten wachsen“. So möchte die Firma dazu beitragen, dass das Miesbacher Oberland zur Öko-Modellregion wird, betont Erwin Winkler, einer der Geschäftsführer. „Klimatisch bedingt müssen wir natürlich viele Gewürze aus den Ursprungsländern beziehen. Doch wo möglich, kaufen wir regional ein.“ Mit anderen Unternehmen der Region Tegernsee-Schliersee hat man sich zu den „Werteproduzenten“ zusammengeschlossen. Abgepackt wird die Ware in Zusammenarbeit mit den Oberlandwerkstätten, Verpackung für die Gewürze ist Weißblech, das vollständig recycelt werden kann, und die Umverpackung einiger Produkte besteht aus Apfelpapier. Dies ist tatsächlich Papier, das aus Apfeltrester, dem Rückstand nach der Saftgewinnung, besteht und im Apfelland Südtirol hergestellt wird. Die Rezepturen der heimischen Kräutertees stammen von Eva Aschenbrenner, der Grande Dame der Kräuterkunde, die nicht weit entfernt in Kochel am See lebte.

Mit den Tees landen wir beim Thema „Kräuter und Gesundheit“. Da, so waren sich alle einig, muss man ein klein wenig vorsichtig sein. Dirk Holterman schimpft fast. „Beim Thema Kräuter denken alle immer gleich an Heilen und damit an Krankheiten.“ Auch zu viel Kamillentee, ergänzt die Pöckinger Kräuterpädagogin Karina Bald, sei ungesund. „Gesund“ wiederum sind viele Lebensmittel, auch frisches Gemüse vom Markt. „Wir haben“, so konstatiert Holterman, „zu vielem den Bezug verloren. Wir haben uns daran gewöhnt, in Plastik verpackte Lebensmittel vom Supermarkt zu erwerben, und verlassen uns darauf, dass es in Ordnung ist. Bei Wildkräutern fehlt vielen die Erfahrung, der natürliche Umgang damit.“ Und genau da möchten die Kräuterpädagogen ansetzen. Rückstände von Spritzmitteln in Supermarktgemüse nehmen wir hin, aber vor giftigen Wildkräutern haben wir großen Respekt. Dieser Respekt allerdings ist gut, da sind sich alle einig, denn jeder weiß, dass es auch viele giftige Pflanzen gibt. Sie eindeutig zu bestimmen, ist auch ein Ziel der Kräuterveranstaltungen. Es gibt einen unverrückbaren „Paragraf 1“, der heißt „100 Prozent“. Nur wenn man sich absolut sicher ist, berührt, pflückt und isst man eine Pflanze. Und um sie sicher bestimmen zu können, lernt man, alle ihre Teile wahrzunehmen. Viele, so Holterman, erkennen Gänseblümchen nur, wenn sie blühen.

Kräutermarkt im Park

Die ganze Kräutervielfalt breitet sich im Kräuter-Erlebnis-Park in Bad Heilbrunn aus: Über 400 Heil-, Wild- und Kulturkräuter, Bäume und Sträucher kann man dort bei freiem Zutritt bestaunen, dazu gibt es rund ums Jahr Führungen und Workshops sowie ein Kräuterbistro mit Laden. Zum zweiten Mal findet heuer im Juli der „Kräuterzauber“ statt, der Markt im Kräuterpark, mit vielen Ständen rund um das Thema Kräuter, Gewürze und Pflanzen. Hier präsentiert sich die ganze Kräutervielfalt unserer Region und darüber hinaus. Anregungen für den eigenen Kräutergarten kann man sich ebenso holen wie jede Menge Tipps zur Verwendung. Wer den Termin verpasst, findet viel davon auch im Erlebnis-Laden der Kräuterpädagoginnen im Kloster Benediktbeuern. Sie bieten regelmäßig Führungen und Kräuterprodukte aus eigener Herstellung an. Nebenan, in der Biogärtnerei, kann man bekannte und außergewöhnlichere Kräuter erwerben. Ein Tipp der Gärtner: Keine Kräuter kaufen, die mit dem Hinweis „zum Verzehr nicht geeignet“ versehen sind. Sie sind gespritzt, und das ist nicht nur für Menschen schädlich, sondern für Bienen und viele andere Insekten tödlich. Ein Kräutergarten ist auch ein Paradies für Insekten, die hier Nahrung finden. Auch sie tragen dazu bei, dass man Kräuter hören kann. Das Summen und Brummen der Bienen und Hummeln an einem schönen Frühsommertag ist wie Musik.


Erfrischende Kräuterrezepte

von Gartenbäuerin Christine Stedele (www.herbalicca.de)

Zitronen-Kräutersalz

Zutaten:

  • 200 g Meersalz, fein oder grob
  • Abrieb von einer Bio-Zitrone
  • 1 Zweig Rosmarin
  • 5 Blätter Salbei
  • 5 Zweige Zitronen-Thymian
  • 5 Blätter Zitronenmelisse oder Weiße Melisse

Zubereitung: Kräuter fein hacken, zusammen mit Zitronenabrieb etwas antrocknen lassen. Mit dem Meersalz mischen und in einem Glas im Kühlschrank aufbewahren.

Tipp: Wenn man Kräuter und Zitronenabrieb komplett trocknet, bevor man sie mit dem Salz mischt, muss das fertige Kräutersalz nicht gekühlt werden. Das zitronige Salz passt zu Spargel, Fisch, Geflügel und zu Kartoffelgerichten, wie zum sommerlichen Kartoffelsalat oder zu Grillkartoffeln.

Sommerlicher Kartoffelsalat

Zutaten:

  • 1 kg festkochende Kartoffeln, z. B. „Linda“
  • Dressing:
  • Saft einer Zitrone
  • 1 TL Zitronen-Kräutersalz
  • 200 ml heißes Wasser
  • 2 Knoblauchzehen, fein gehackt
  • 6 EL Olivenöl

Zubereitung: Kartoffeln in der Schale kochen, etwas abkühlen lassen, schälen und in dünne Scheiben schneiden. Dressing aus den angegebenen Zutaten herstellen und die Kartoffeln damit übergießen. Dabei die Kartoffeln vorsichtig durchmischen und das Ganze gut durchziehen lassen. Vor dem Servieren nochmals abschmecken. Mit Radieschen und Petersilie dekorieren.

Zitro-Mix-Sirup

Zutaten:

  • 1 l Wasser
  • 1 kg Zucker
  • 30 g Zitronensäure
  • 1 Bio-Zitrone, in dünne Scheiben geschnitten
  • 1 gute Handvoll Zitronenkräuter wie Zitronenmelisse, Zitronenverbene oder Weiße Melisse

Zubereitung: Wasser und Zucker gemeinsam aufkochen und wieder abkühlen lassen. Zitronensäure, Zitronen und zerkleinerte Zitronenkräuter dazugeben. Mischung 3 Tage ziehen lassen, dabei regelmäßig umrühren. Dann abseihen, nochmals kurz auf 85 °C erhitzen und in saubere Flaschen abfüllen.

Tipp: Wird der Sirup nicht sterilisiert, sollte man ihn im Kühlschrank aufbewahren. Im Verhältnis 1:10 mit Mineralwasser gemischt, ergibt der Sirup einen erfrischend en Durstlöscher!

Über den Autor

Heike Hoffmann

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