Leben & Geniessen

Zart schmelzend: Schokoladenhandwerk im Oberland

Sie denken, dass ein Leben ohne Schokolade möglich, aber sinnlos sei? Dann haben wir gute Nachrichten für Sie. Im Oberland sind nämlich einige allererste Adressen für feinstes Schokoladenhandwerk beheimatet. Wir waren dort zu Besuch und können nur sagen: jede Sünde wert…

Das Geheimnis bester Schokolade

„Was meinen Sie, wie das Kinderaugen zum Glänzen bringt“, seufzt der beseelte Kunde neben mir mit Blick auf die üppigen Auslagen der Chocolaterie Amelie in Garmisch-Partenkirchen. Er selbst – und die Autorin gleich mit – sind allerdings der schlagende Beweis dafür, dass sich diese Wirkung auch deutlich jenseits des Kindesalters einstellt. Kein Wunder: Vor uns sind mehr als hundert verschiedene Sorten feinster Bruchschokoladen, Trüffel, Marzipan- und Nougat-Pralinen, dragierte Nüsse, schokoliertes Obst und vieles mehr ausgebreitet. Durch große Panoramascheiben kann man zuschauen, wie in der Manufaktur nebenan in aufwändiger Handarbeit der Nachschub produziert wird. Wer mehr über den Herstellungsprozess von Kakao und Schokolade erfahren möchte, findet allerlei Wissenswertes in einem großen Schaukasten oder kann sich für eine Führung anmelden. Keine Frage: Franz Kässer und seine Frau Irene haben hier eine Schokoladen-Erlebniswelt im besten Sinne des Wortes geschaffen (http://www.chocolaterie-gap.de).

Begonnen hat es 1984, als der gelernte Konditormeister Franz sein erstes eigenes Café übernahm. Schon damals war er ein großer Schokoladen-Liebhaber, doch was es vor Ort gab, schmeckte ihm zumeist nicht: „In Frankreich oder Belgien bekam man großartige Schokolade, doch bei uns war das Sortiment eher dürftig“, meint er rückblickend. „Auch feine Bruchschokolade – früher in vielen Konditoreien zu finden – gab es kaum noch.“ Also machten er und seine Frau sich selbst ans Werk. Sie hielten nach guten Grundzutaten Ausschau, studierten Rezepte und wagten sich an eigene Kreationen. Ihre Qualität sprach sich herum – 2007 wurden sie sogar von der Zeitschrift Der Feinschmecker ausgezeichnet –, und die Produktion wuchs im Laufe der Jahre beständig. Inzwischen ist man in der historischen Ludwigstraße 37 beheimatet, 22 Leute sind mittlerweile im Team, inklusive Sohn Linus.

Was gute Schokolade ausmacht? Klare Sache, meint Franz Kässer: „Beste Grundzutaten, Kenntnisse der chemischen Prozesse bei der Schokoladenherstellung und natürlich handwerkliches Geschick. Wenn das zusammenspielt, riechen und schmecken Sie es sofort!“ Genau das ist natürlich die Kunst. Für industriell gefertigte Schokoladenprodukte wird zumeist die Kakaosorte Forastero verwandt. Sie macht fast 87% der weltweiten Kakaoproduktion aus, da sie robuster und anspruchsloser ist als die sensibleren Edelkakaosorten Trinitario und Criollo. Dafür reicht sie geschmacklich nicht an diese heran. Schokoladenherstellung ist zudem sehr aufwändig. Direkt nach der Ernte schmecken Kakaobohnen nämlich nur bitter. Daher werden sie zunächst fermentiert, wobei erste Bitterstoffe gelöst und Enzyme aktiviert werden. Die sorgen beim späteren Röstprozess dafür, dass Aromen freigesetzt werden. Beim anschließenden Vermahlen entsteht wiederum Hitze – die in den Bohnen enthaltene Kakaobutter setzt sich ab und trennt sich weitestgehend vom reinen Kakaopulver.

Damit man nun zartschmelzende Schokolade bekommt, ist das aus der Werbung bekannte Conchieren unerlässlich. Mindestens 24 Stunden werden Kakaopulver und -butter in einem mehrgängigen Walzverfahren wieder homogen vermengt, und der berühmte Schmelz entsteht. Auch die Industrie kommt um diese Prozesse nicht herum. Sie beschränkt aber das Conchieren auf ein Minimum, fügt zumeist billiges Butterreinfett statt der guten Kakaobutter hinzu und arbeitet mit reichlich Zucker, Sojalecithin und künstlichen Aromen. Letztere sind bei Kässers tabu, genauso wie Schokolade aus Forastero-Kakao. Franz Kässers Favorit ist die Trinitario-Bohne, die er geschmacklich milder als die andere Edelsorte Criollo empfindet. Zucker gehört natürlich bei fast jeder Schokolade dazu, bei Milchschokoladen auch Milchpulver. Diese müssen einen Kakaoanteil von mindestens 25% haben. Je höher der Kakaoanteil, desto weniger Zucker wird zugesetzt und desto herber und geschmacksintensiver wird das Ergebnis. So gibt es Sorten mit 88, 90, 99 oder gar 100% Kakaoanteil. Aber das sei dann schon etwas für absolute Puristen, meint er.

Zu seinen Leidenschaften gehört das Experimentieren mit Früchten (zum Beispiel die „Alpenglühen“-Pralinen mit Kirsche oder Kombinationen von Thymian, Aprikose und Bitterschokolade). Nicht minder spannend schmecken die Gewürzschokoladen, z.B. die sensationelle Bruchschokolade mit Nelken und Kardamom. Sehr empfehlenswert auch die nur hier erhältliche „Gapalade“, eine Schokoladenserie mit ätherischen Alpenkräuter-Extrakten. Eine weitere Rarität ist die unconchierte Bruchschokolade, die man andernorts kaum finden wird. Das Conchieren sorgt zwar für den gewünschten Schmelz im Mund, raubt dem Kakao aber etwas von seinem Geschmack. Also unbedingt mal ein Stückchen probieren und ausgetretene Geschmackspfade verlassen!

Ein Loblied auf Criollo

Bei der Konditorei und Schokoladenmanufaktur Krönner am Obermarkt bzw. in der Seidlstraße 4 in Murnau kann man wahrhaft von Tradition sprechen. Das Geschäft wird in nunmehr neunter Generation von Barbara Krönner geführt – und mit Sohn Michael steht die zehnte bereits parat. Eine Filiale der Manufaktur wurde 2011 in Oberammergau in der Dorfstraße 17 eröffnet. Michael Krönners Leidenschaft ist die Schokolade aus der Criollo-Kakaobohne. Sie macht gerade einmal 3% der weltweiten Kakaoproduktion aus, da sie recht anfällig für Krankheiten ist und sich nicht für die Massenproduktion eignet. Dafür vereint sie aber eine Fülle besonders fruchtiger Aromen und allein aus ihr dürfen sogenannte Grand-Cru-Schokoladen gewonnen werden. Ein weiterer wichtiger Punkt für ihn: Im Gegensatz zum Konsumkakao aus der Forastero-Bohne, die auf gigantischen Plantagen unter massivem Raubbau an Natur und Mensch angebaut wird, kann man mit dem Kauf von Criollo-Kakao gerade die kleinen Anbaubetriebe unterstützen und ihnen wirtschaftlich faire Konditionen zusichern. Er bezieht seine Schokolade daher vom französischen Edelanbieter „Valrhona“ und von der Schweizer „Felchlin-Stiftung“, bei der Qualität und Fair Trade oberstes Leitprinzip sind. Deren Maracaibo Clasificado 65% erhielt 2004 gar die Goldmedaille für die weltbeste Schokolade.

Für die Pralinenherstellung benötigt man die Schokolade jedoch in Form von sogenannter Kuvertüre. Die ist natürlich auch Schokolade, verfügt aber über einen etwas höheren Fettgehalt. Sie wird in aufgeschmolzenem Zustand dünnflüssiger und läßt sich so leichter verarbeiten. Allein dieser Prozess ist eine Wissenschaft für sich: Zum Verflüssigen wird auf 42,4 Grad Celsius erhitzt und dann wieder je nach Sorte (weiße, Vollmilch- oder Bitterschokolade) auf die ideale Temperatur zur Weiterverarbeitung (zwischen 29,7 und 30,5 Grad) heruntergekühlt. Wenn man hier nicht exakt arbeitet, leidet die feine Kristallstruktur der Schokolade, und sie schaut nachher matt und grau anstatt appetitlich glänzend aus. Bis zu zwölf verschiedene Arbeitsschritte sind nötig, bis eine Praline aus Handarbeit fertig ist, erzählt Sandra Wendler, die die sonntägliche Führung durch die Manufaktur leitet (http://www.kroenner-murnau.de). Bei der anschließenden Schokoladenverkostung erfährt man viel Wissenswertes über die sensible Schattenpflanze Kakao, die in den äquatornahen Ländern in Südamerika, Afrika und Asien beheimatet ist.

Vor allem aber überrascht das breite Spektrum an Geschmacksnuancen, je nach Herkunftsgebiet oder Kakakoanteil. Selbst die Vegetation in der Nähe des Kakaobaums spielt eine Rolle: Zu Sandra Wendlers Favoriten gehört zum Beispiel die „Valrhona Manjari“ aus Madagaskar, deren Kakao in der Nähe von Maracuja-Pflanzen wächst und die tatsächlich leicht fruchtig schmeckt. Der Geschmack hält bemerkenswert lange an auf der Zunge – ein weiterer positiver „Nebeneffekt“ dieser Qualitätsschokoladen, die man tatsächlich viel bewusster genießt.

Jede Praline ein kleines Kunstwerk

Wer nun Lust bekommen hat, sich selbst in der Kunst der Pralinenherstellung zu versuchen, der sollte unbedingt bei Karin Wiebalck-Zahn oder ihrer Kollegin Birgit Heel vorbeischauen. Das Angebot von ein- bis mehrtägigen Pralinenkursen sucht nämlich seinesgleichen (wahlweise in Holzkirchen und Memmingen, aber auch am Schliersee oder in der Schweiz). Für Einsteiger bieten sich Einführungskurse in die Grundtechniken wie die Herstellung von Nougat, Krokant, Marzipan oder richtiges Temperieren von Ganache und Kuvertüre an. Es gibt aber auch spannende Themenkurse von Weihnachts-, Kaffee- und Gewürzpralinen über Likör- und Gelee- bis hin zu Blüten- und Wildkräuterpralinen. (nähere Informationen zu Kursen und Terminen unter http://www.pralinenkurse.com).

Begonnen hatte es für Karin Wiebalck-Zahn vor zehn Jahren bei einem Schnupperkurs für Pralinenherstellung. Die Mutter von vier Kindern, die immer schon leidenschaftlich gern gebacken und dekoriert hatte, war danach wie elektrisiert. Viele weitere Fortbildungen bei hochkarätigen Chocolatiers folgten, und sie ist längst selbst eine Expertin auf hohem Niveau. Ihre Online-Zeitschrift Pralinenhobby hat über 1.000 Downloads pro Ausgabe, und die Youtube-Tutorials zur Pralinenherstellung bringen es auf über 300.000 Aufrufe. Ihre Favoriten sind die kräftigen, aromatischen Füllungen, Gewürzpralinen mit Pfeffer, Sesam, Nelken oder die Kaffeepralinen. In den Kursen selbst wird Wert auf eine kleine Teilnehmerzahl gelegt, und viele sind so begehrt, dass man sich lange im Voraus anmelden muss. „Alle Rezepte entstehen gemeinsam, und ich freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn am Ende des Tages kleine Pralinenschätze entstanden sind, die es so in keinem Geschäft zu kaufen gibt“, erzählt sie.


Weitere empfehlenswerte Adressen

Lust auf ein Tässchen Kakao?
Dann sollte man seine Schritte ins Landhaus-Café in Wolfratshausen (Sauerlacher Str. 10) lenken. Hier kann man aus über 20 verschiedenen Sorten wählen. Soll es Marron glacé oder Schokolade extra bitter sein? Oder lieber Pfefferminzschokolade, Coatl- oder Orangen-Zimt-Schokolade? Landhaus-Café-Chefin Alexandra Steiner gehört übrigens zu den Pionieren der Trinkschokoladen-Kultur in Deutschland. Sie hatte die feinen Variationen des italienischen Edelanbieters „Eraclea“ vor vielen Jahren am Gardasee kennengelernt und in ihrem Café ausgeschenkt, lange bevor es hierzulande in Mode kam. Großartig dazu schmeckt übrigens der feine sizilianische Schokoladenkuchen Caprese, die Mousse-au-Chocolat-Tarte oder der Schokomandel-Rum-Kuchen. Frau Steiner ist nämlich gelernte Konditorin …

Tölzer Tradition
Das alteingesessene, vom Feinschmecker prämierte Café Schuler in Bad Tölz (Marktstr. 9) gibt es bereits seit 1953. Hier wird Pralinenkunst großgeschrieben, natürliche und frische Zutaten sind selbstverständlich. Rum-Traube-, Cognac-Sahne-, Eierlikör- oder Butterkrokant-Trüffel gefällig? Oder lieber Orangen-Nougat und Pistazien-Marzipan? Sehr empfehlenswert ist auch die schokoladige Hausspezialität „Tölzer Prügel“ in fünf verschiedenen Geschmacksrichtungen. Nichts davon wird es auf die Liste einer Low-Carb-Diät schaffen, aber spielt das bei solchen Genüssen eine Rolle?

Pralinen-Manufaktur geht online
Der damals 25-jährige Walter Cordes gründete 1932 eine Pralinen-Manufaktur. Der kleine Familienbetrieb stellt seit inzwischen vier Generationen handgefertigte Pralinen und Schokoladen her. König Kunde hat die Auswahl zwischen etwa 140 verschiedenen Pralinensorten! Dazu kommen noch rund 15 verschiedene Sorten Schokoladenbrüche und hauchdünne Täfelchen. Von der Münchner Maximilianstraße zog 1985 die Produktion an den Starnberger See. Seniorchefin Ingeborg Ruchner (geb. Cordes) kümmert sich mit Unterstützung ihrer Tochter Doris Büntig und Enkelin Gwendolyn Büntig um die Herstellung der Pralinen und Schokoladen. Nachdem auch Traditionshäuser mit der Zeit gehen müssen, gibt es neben den Verkaufsfilialen am Harras und in Waldtrudering seit November einen Online-Shop: www.waltercordes.de.

Bildnachweis: Doerthe Winter, Dr. Karin Wiebalck-Zahn

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