Kunst & Handwerk

Hirschledernes Meisterstück: Die handgefertigte Lederhose

Die Lederhose – sie ist ein gern getragenes Kulturgut der Bayern, lässt junge Burschen fesch und die Alten als gestandene Männer stets ordentlich aussehen. In Lenggries wird sie noch von Hand genäht. Ein Blick hinter die Kulissen des berühmten Beinkleides.

Ob als „Kurze“ oder als Bundhose getragen, längst hat die Lederhose in Bayern ihr angestaubtes Image abgelegt – die „Lederne“ ist angesagt wie nie zuvor. Tracht und Tradition ist „in“, auch bei den Jungen. Die Lederhose gehört heute wieder in jeden Kleiderschrank. Auf dem Oktoberfest, zu Hochzeiten, Dorffesten oder zu Geburtstagsfeiern wird das robuste Beinkleid ausgeführt. Fesch muss sie sein. Und natürlich bequem. Dabei ist Lederhose keinesfalls gleich Lederhose. Ein echt bayerisches Exemplar ist stets handgefertigt aus sämischem Hirschleder. Wer sie nicht über Generationen vererbt bekommt, dem bleibt nur eines: Er lässt sich eine machen. Doch wer eine „Echte“ haben möchte, der braucht Geduld und das nötige Kleingeld. Dafür hält das edle Stück mit etwas Glück ein Leben lang.

Am Anfang ist das Leder

Genauso wie die Lederhose ist auch das Handwerk jener sehr begehrt, die solch ein Meisterstück zu fertigen wissen. Denn der ehrgeizige Beruf ist mittlerweile fast ausgestorben. Gerade mal 16 Säckler und Säcklerinnen gibt es noch in Bayern. Susanne Schöffmann ist eine davon. Die 42-jährige Säcklermeisterin hat das Geschäft von Vater Josef Bammer übernommen. Bei ihr bekommt man die „Lederne“ in allen möglichen Varianten: in schwarz, braun, gescheckt, in kurz oder lang – aber das Wichtigste, sie muss passen. Ganz nach Wunsch wird die Hose dem zukünftigen Träger perfekt auf den Leib geschneidert. Beim ersten Termin wird ausgemessen; das macht die Meisterin persönlich und sucht auch gleich gemeinsam mit dem Kunden das Leder aus. Susanne Schöffmann verwendet ausschließlich „sämisches“ Hirschleder aus heimischer Gerberei. Eine natürliche Gerbungsart, bei der Fischtran verwendet wird. Sehr biologisch und hautverträglich. Ein Naturfarbstoff aus Blauhölzern gibt dem Leder seine individuelle Farbe. Dabei werden die Häute nur auf der oberen Seite von Hand eingefärbt und können so nicht nach innen abfärben. Ein halbes Jahr dauert die Gerbung von der Tierhaut zu Lederhaut. Bei diesem Gerbungsprozess bleibt die Atmungsfähigkeit des Naturmaterials zu 100 % erhalten. So wird die Lederhose im Sommer zur kühlsten und im Winter zur wärmsten Hose. Und: Das Leder wird weich wie Samt. Die Tierhäute selbst stammen im Hause Bammer vom Neuseeländischen Zuchthirsch. Ganz einfach weil das Leder der Waldbewohner aus Übersee das schönste und beste ist und weil es in Deutschland gar nicht so viel Hirschleder gibt, wie verarbeitet wird. Häute heimischer Hirschen haben zudem oftmals Narben von der Dasselfliege – solche Schönheitsfehler sind beim Kunden nicht sonderlich beliebt. Außer er ist ein echter Kenner.

Angemessenes Kleidungsstück

Ist die Frage des Leders geklärt, werden Modell und Stickmuster festgelegt. Kurze Hosen werden am häufigsten in Auftrag gegeben. Von denen fertigt Susanne Schöffmann bis zu 240 Exemplare im Jahr. Mehr schafft die Säcklermeisterin nebst Lehrlingen und Gesellen nicht. Denn nicht nur zur Wiesn hat sie buchstäblich alle Hände voll zu tun. Die Saison der Lederhose beginnt bereits am ersten Mai mit dem Maibaum-Aufstellen. Der nächste Pflichttermin, vor allem für die über 12.000 Gebirgsschützen in Bayern, ist der Patronatstag am ersten Sonntag im Mai, an dem selbstverständlich Tracht getragen wird. Sind erst einmal alle „Trachtler“ mit Lederhosen versorgt, folgen im Juni/Juli die Aufträge der „Normalbürger“. Denn ein jeder möchte zum Waldfest oder zur Wiesn zünftig gekleidet sein. Wer eine Hose aus der Hand der Meisterin will, wartet schnell ein halbes Jahr oder länger. Eine „echte Lederne“ dauert eben. Und die Kunden warten geduldig, denn sie legen Wert auf die Qualität der Handarbeit. Ist die Hose erst einmal bestellt, vergeht also viel Zeit. Nicht jedoch für Susanne Schöffmann. Unzählige Arbeitsschritte sind nötig, bis eine Lederhose fertig ist: das Erstellen des Schnittmusters, das Ausschneiden der Einzelteile, die Kennzeichnung des Stickmusters auf dem Leder und nicht zuletzt der zeitraubendste Schritt: das Sticken. In Feinstarbeit werden die prachtvollen Verzierungen aufs Leder gebracht. In unserem Fall: grünes Eichenlaub. Muster und Farbe der Stickerei sind übrigens von Region zu Region verschieden und verraten, woher der Träger kommt und welcher Säckler die Hirschlederne gefertigt hat.

Bayerischer geht´s nicht

Der Klassiker ist schwarz mit grüner Stickerei. Der traditionelle Look der Trachtler in ganz Bayern, von Berchtesgaden über Miesbach bis ins Allgäu. Jedoch mit kleinen, aber feinen Unterschieden. So gibt es nicht nur ein Grün, sondern gleich fünf verschiedene Farbnuancen. Während man im Norden von München ein fast gelbes Grün trägt, ziert Hosen aus der Jachenau ein sehr dunkler Farbton. Doch nicht nur die Farbe ist für den Kenner Grund zur Diskussion: Hier trägt man die Gams, dort den Hirschen auf der Hose. Gleiches gilt für Eichen- oder Rebenlaub als Stickerei. Von Ort zu Ort verschieden ist auch das Tragen von Hosenträgern oder einem Gürtel zur Lederhose. Alles kleine Details, die den feinen Unterschied ausmachen. Für einen Laien jedoch kaum zu erkennen. Und auch der Säckler gibt der Hose seine eigene Note. Bei Susanne Schöffmann ist es der Hosenlatz, der bei ihren „Ledernen“ eher klein und dezent ausfällt. Ganz im Gegensatz zu den Modellen ihrer männlichen Kollegen. Sie ist eben die einzige Säcklermeisterin im Landkreis.

Von Hand gefertigt für die Ewigkeit

Mindestens 18 Stunden arbeitet die Säcklerin an einer Hose. Das sind bis zu zehn Stunden reine Näharbeiten. Dazu kommen acht bis 30 Stunden für die Stickerei. Am Ende bestimmt der Aufwand den Preis: 640 bis 1.400 Euro muss der Kunde für eine „Handgemachte“ aus dem Hause Bammer schon rechnen. Dafür bekommt er ein Unikat für Generationen. Gerechnet auf ein ganzes Leben ist das ein fairer Preis. Wer sich ein solches Meisterstück nicht leisten kann oder will, kauft eines von der Stange. Diese Hosen stammen zum Großteil aus Manufakturen in Indien, Pakistan oder Sri Lanka, weiß Susanne Schöffmann. Das Problem: Sie passen nicht. Sind meistens zu weit an den Beinen. So trifft es sich nicht selten, dass Kunden mit solcher Billigware bei Susanne Schöffmann aufschlagen und ihre Hosen für teures Geld ändern lassen. Das zweite Manko: das Material. Das lederne Beinkleid aus Asien wird aus Ziegenleder gefertigt, im Fachjargon auch Wildbock genannt, und kann mit einem echten Exemplar aus Hirsch in Qualität und Lebensdauer nicht mithalten.

In einer Lederhose wohnt man …

Über Jahrzehnte getragen wetzt sich das Leder ab und es kommt der bräunlich-goldene Ton der Lederhaut zum Vorschein. Die Patina, die das gewisse Etwas der Lederhose ausmacht. So eine will jeder haben, eine Hose, die eigentlich sonst ein Musikant oder Trachtler anhat. Mit hunderten Einsätzen auf dem Buckel. Für einen Normalbürger, der die „Hirschlederne“ zehn- bis maximal 15-mal im Jahr trägt, nahezu unmöglich. Deshalb geht der Trend heute dazu, dass man die Hose schon von Anfang an auf alt macht. Und die Träger wollen sich immer mehr mit einbringen, wollen individuelle Hosen, mit Monogramm, Ortswappen oder Stickereien, die sie selbst entwerfen. Dabei geht jedoch eines nie verloren – die Tradition. Und so ist die klassisch kurze Lederhose, die ihren Ursprung im Gebirge hat, wo sie den Gebirgsjägern und Sennern die notwendige Beinfreiheit bot, früher wie heute ein Stück bayerische Lebensfreude. Eine Tradition, die lebt.

Über den Autor

Simone Rosner

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