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Katzendraller: Heimatkrimi mal ganz anders

Günther Frühmorgen ist Buchautor und Möbeldesigner aus Leidenschaft. Der Erfolg als „Designer der 80er-Jahre“ (Label: mega!) hat den Absolventen der Amerikanistik und Geographie nach eigenen Angaben erst eitel und hochmütig, dann demütig gemacht. Er ist seinem Gewissen verpflichtet – zum Schutz der Leser und der Umwelt. Gedruckt wird nur, was seinem hehren Anspruch genügt.

Der Ammerländer Autor Günther Frühmorgen liebt Sprachen. Und Dialekte. Dialekt, das ist für ihn Heimat: „Gerade bei einem Heimatkrimi kommen die Dialoge im Dialekt wie Wasser aus unserer Seele. Die direkte Verbindung zwischen Herz, Himmel und Erde.“ Seine mitreißende Art zu erzählen hat Kult-Charakter und ist eine super Übung für Nichtbayern. Tipp: Am Anfang besser laut lesen!

Die Geschichte

Während Hans Hummel im Juli 1971 im Uppenbornwerk Moosburg ganz Bayern in Dunkelheit versenkt, raubt die Bomhard-Bande eine Bank aus und entführt den Bankdirektor. Oder ist doch alles ganz anders?

Übermütig in der Schreibe und effektvoll inspiriert durch die allgegenwärtigen Rock- und Pophits der 60er und 70er erzählt der gebürtige Moosburger Frühmorgen mit „Katzendraller“ eine erfrischend andere Krimikomödie. Welche Rolle der Katzendraller, ein Strudel in der Isar, spielt, bleibt bis zum Schluss ungewiss. Mit „Spionin Escora“ geht die Geschichte munter weiter. Die schräge Verwechslungskomödie entwickelt sich zu einem hochpolitischen, aber unblutigen Spionagethriller.

Tipps von DDR-Agentin

Der suspendierte Ermittler Polizeiobermeister Miche „Mike“ Meiller (31) und seine (fast) 17-jährige Freundin Hanni Bomhard („im blassblumigen Kleid mit den oberen und unteren Knöpfen für die Katz“) scheuchen versehentlich DDR-Spione auf, die auf Starfighter angesetzt sind.

Die vampartige Ostspionin Ellen Rometsch, alias Escora, verdreht Meiller flott den Kopf und dem Autor während des Schreibens eher unfreiwillig die Story. Frühmorgen lässt seinen Figuren aber ganz bewusst ihr Eigenleben: „Wenn man die Geschichte wie ein Korsett baut, dann engt man sich meiner Meinung nach zu sehr ein. Dann wird’s steif.“ Und steif ist in seinen Büchern wirklich rein gar nichts. Man hat eher Mühe, sich auf diese rasante, teils verdrehte Erzählweise einzulassen. Wer jedoch den Österreicher Wolf Haas mag, wird Günther Frühmorgen lieben!

Die Spur führt die Ermittler von Moosburg (in der Nähe vom Fliegerhost Erding) zum Tegernsee. Oben auf der Sutten ist dann der große Showdown. Den Rahmen und alle Details hat der ehemalige Gymnasiallehrer gründlich recherchiert: „Das ist Pflicht! Es sind immerhin einige wahre Begebenheiten verarbeitet.“ Wie beispielsweise das legendäre Nickerchen von Ministerpräsident Franz Josef Strauß, bei dem in Moosburg ein ganzes Bierzelt geräumt werden musste.

Die reale Ost-Spionin Ellen Rometsch verschwand laut Frühmorgen nach einer skandalösen Sex-Affäre mit John F. Kennedy 1962 spurlos. Hier im Buch taucht sie 1972 überraschend wieder auf. Günther Frühmorgen gab ihr in seiner Geschichte den Namen „Escora“ – nach einem damals berühmten Triumph Büstenhalter. Eine echte Geheimagentin hatte dem kreativen Feingeist bei einem Plausch unter vier Augen verraten, dass sie bei diesem Modell die Mikrokamera im Mittelsteg unter dem kleinen Deko-Schlüsselchen versteckt habe …

Unblutiger Spionagethriller

Wo der historische Faden abreißt, kommt Frühmorgens Neigung zur Komödie ins Spiel. Da ist ihm nichts heilig. Dabei ist sich der Autor aber immer seiner hohen Verantwortung dem Leser gegenüber bewusst. Der 64-Jährige verzichtet, entgegen dem „Trend“ bei vielen berühmten Krimiautoren, gänzlich auf Brutalität und blutiges Gemetzel: „Ich empfinde es als Zumutung, den Leser mit bestimmten Bildern, die durch die Erzählung im Kopf entstehen, zu verletzen.“ Kein Problem! Diese Krimis kommen wunderbar ohne bluttriefendes Grauen oder wildes Geballer aus und sind doch alles andere als blutleer.

Mal ist es poetisch, mal historisch, oft rotzfrech. Die lebendige Sprache des Absolventen der Amerikanistik und Geographie, der ganz nebenbei über viele Jahre international erfolgreich Möbel designt und vertrieben hat, macht seine Bücher so erfrischend zu lesen. Die waschechten bayrischen Dialoge sind hinreißend authentisch!

Über den Autor

Bettina Sewald

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