Kulinarisches & Gastronomie

Zu Tisch am Tegernsee

Gastrotipps von Herzog Max bis Hilo Fuchs

Idyllisch, malerisch und paradiesisch. Superlative über das Tegernseer Tal gibt es viele, und alle stimmen.

Auch als lukullisch und den Sternen nah beschreiben Lobeshymnen die Landschaft rund um den See, und auch dies ist wahr. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es so viele Restaurants, Gourmettempel gar, mit so vielen Auszeichnungen, darunter die „Überfahrt“ in Rottach-Egern. Küchenchef ist Christian Jürgens, der inzwischen wohl zu den dienstältesten 3-Sterne-Köchen hierzulande gehört. Jörg Steinleitners Krimis spielen am Tegernsee, jeweils ein passendes Rezept des Gastrostars runden die Geschichte kulinarisch ab, obwohl Kommissarin Anne Loop ihren Hunger eher im schlichteren „Bräustüberl Tegernsee“ stillt.

Vom Himmel zum See

Im „Herzoglichen Bräustüberl Tegernsee“ speist man – freilich deftig bayerisch, wie es sich für eine Brauereigaststätte gehört – vorzüglich. Die Benediktiner, bekannt für eher weltzugewandten Genuss und Bierbraukunst, hatten die Abtei am See gegründet. Seit der Säkularisation 1803 residiert hier die herzogliche Linie der Wittelsbacher und teilt das Kloster heute mit Brauerei, Klosterkirche, Gymnasium und eben dem „Bräustüberl“.

Der im Volk beliebte Herzog Maximilian, der Zither-Maxl, hielt sich gern am Tegernsee auf und ist Namensgeber der erst vor kurzer Zeit vor dem Verfall geretteten Traditionswirtschaft Herzog Maximilian im Herzen von Gmund. Neben dem Zitherspiel pflegte der Herzog die Jagd in den Wäldern und Bergen vom Brauneck bis zum Hirschberg – eine Passion, die auch Georg Ertl, der Wirt des wunderschön gelegenen Almgasthauses Aibl hoch über Kreuth pflegt. Und er versteht sein Handwerk so gut, dass Sternekoch Jürgens dort seinen Hunger stillt, allerdings erst, wenn er eine Runde um den See gelaufen ist. Denn beim Ertl Schorsch gibt’s saftige, resche Enten, Wild mit hausgemachten Spätzle und ordentlich Soße, zum Abschluss des Sternekochs Leibspeise, den köstlichen Erdbeerstrudel. Ertl meint auf die Frage, weshalb es denn am Tegernsee so viele gute Restaurants gibt: „Man muss hier anständig kochen, weil der Christian da ist, denn die Gäste wollen auch an den anderen Urlaubstagen gut essen.“

Künstlertreff mit Seeblick

Illustre Gäste mit verwöhnten Gaumen besuchten schon früher gern den Tegernsee, darunter Ludwig Thoma und Olaf Gulbransson, die beide hier lebten. Sie trafen sich meist im „Lieberhof“, von dessen Terrasse man einen sagenhaften Blick übers ganze Tal hat. Dort steht der Holzofen, in dem heute täglich Brot gebacken wird, das als Crostini geröstet bayerische Antipasti oder rahmigen Kartoffelkäs begleitet und auch mit schlichter, aber ebenso köstlicher Almbutter schmeckt. Wirt Johannes Rabl betreibt in der Tradition der Benediktinermönche einen Bauernhof in der Nähe. Das Kotelett vom Bio-Schwein stammt aus eigener Aufzucht.

Fischliebhaber hingegen begeben sich ein wenig weg vom See ins Tal der Weißach und pausieren in Wildbad Kreuth. Wo früher die Granden der bayerischen Politik schwarzen Limousinen entstiegen, labt man sich heute im Gasthaus Altes Bad, das sich im Besitz von Helene von Wittelsbach befindet. Katrin Engelmann kocht am historischen Ort mit der berühmten Heilquelle grundehrliche saisonale Frischeküche, in der, so betont sie, industrielle Produkte oder Geschmacksverstärker nichts verloren haben. Braucht‘s auch nicht, denn die Zutaten bezieht sie aus der Region. Das Wild stammt vom örtlichen Jäger, das Dinkelmehl für die hausgebackenen Kuchen von der nahen Leitzachmühle.

Ein Dom für Fische

In Wildbad Kreuth verbrachte auch die Familie Mann Ferienzeiten mit ihren Kindern, darunter dem Sohn Thomas, der später einer der berühmtesten deutschen Dichter werden sollte. Thomas Mann, so sagt man, sei Feinschmecker gewesen. Nicht üppig, aber gut sollte es sein. In seinem berühmten Roman „Buddenbrooks“ wird daher wohl nicht zufällig edler Fisch auf Meißener Porzellan gereicht. Nehmen wir also an, er habe auch am Tegernsee Fisch genossen. Der könnte natürlich aus dem See stammen. Welche Wasserbewohner sich darin tummeln, kann man übrigens im Aquadome in Bad Wiessee lernen. In einem stattlichen, 60.000 Liter fassenden Süßwasser-Aquarium werden die verschiedenen Wasserzonen des Sees nachgestellt. „Becken für Becken erschließt sich so der Fischbestand des Sees“, meint Stefan Boes, Herausgeber der Zeitschrift „KulturLand“ und Co-Autor des Buches „Lieblingsplätze. Tölzer Land – Tegernsee – Schliersee“, der den Aquadome auch deshalb zu seinen präferierten Orten am See zählt, weil hier im Bruthaus Renken oder Seeforellen herangezogen werden, die es aufgrund der heutigen Umweltbedingungen schwer haben. Doch auch in Fischzuchten mit weiten Teichen, gespeist von frischem Quellwasser aus den Bergen, werden die Tiere aufgezogen. Die Herzogliche Fischzucht Wildbad Kreuth gibt es schon lange, heute jedenfalls bietet Fischwirtschaftsmeister Alexander Wiemann Forellen, Lachsforellen und Saiblinge an, fangfrisch, geräuchert oder zu cremiger Paté verarbeitet. Man kann sie täglich von Montag bis Sonntag erwerben oder vor Ort an gemütlichen Tischen zwischen den Teichen auf Brettchen hübsch angerichtet verspeisen und sich dazu ein kühles Helles oder ein Gläschen Wein schmecken lassen.

Mit Rudern und Schwimmen hielt sich Thomas Mann fit, seltener zwar, aber immerhin auch mit Bergsteigen. Er sei in den Ferien zum ersten Mal auf dem Gipfel eines höheren Berges gewesen, wo man „kolossalen Fernblick bei Sonnenaufgang bis in die tiefsten Alpen“ hätte. Den 1.668 Meter hohen Hirschberg südlich des Tegernsees hatte er bestiegen. Vom Aufstieg hungrig geworden, könnte man das nach dem Berg benannte Gasthaus in Kreuths Ortsteil Scharling besuchen. Das Gasthaus zum Hirschberg besteht seit 1882 als Gasthof, durchaus möglich, dass der Schriftsteller sich dort eine Brotzeit genehmigte. Heute jedenfalls kocht Daniel Bößhar hier mit Leidenschaft und Verstand, bayerisch mit gekonntem Blick über den Tellerrand hinaus, wie sein köstliches Blutwurstgröstl auf zartem Selleriepüree mit marinierten Apfelscheiben oder die Maishendlbrust aus hiesiger Zucht mit glasiertem Gemüse beweisen.

A runde Sach

Ganz jung, aber sicher eine historische Tat ist die Gründung der Naturkäserei TegernseerLand in Kreuth. Da vereint sich vieles Gute, Interessante, Positive und Mutige: Weil der Milchpreis viel zu niedrig ist, als dass kleine Bauernhöfe überleben könnten, grübelte eine Gruppe so lange, bis die Lösung gefunden war. Man veredelt die Milch selbst und produziert Käse, Joghurt, Butter. Eine Genossenschaft wurde gegründet, deren Mitgliederzahl immer noch wächst. Der Käse wurde zunächst in Kerschlach hoch über dem Ammersee hergestellt, doch bald baute man in Kreuth eine Produktionsstätte mit Gastronomie und Laden, Schaukäserei und Bauerngarten – einfach ein schönes Beispiel heimischer Handwerkskunst.

Ein Schritt in die richtige Richtung in der Landwirtschaft ist sicher die Gründung des Boarhofs. Hier leben Maria und Markus Bogner vor, was möglich ist, wenn man mit Fleiß, aber auch einer visionären Leidenschaft ans Werk geht. Im Laden und im Café bieten sie die eigenen Bio-Produkte an, darunter bisweilen auch Fleisch von eigenen glücklichen Schweinen.

Schweine sind schöne Tiere

„Schweine sind schöne Tiere, und schmecken tun sie auch“, meint die Tegernseer Künstlerin Hilo Fuchs auf einer ihrer Fliesen der Serie „Sprücheklopfen“. Damit man Tiere aber mit gutem Gewissen essen kann, achtet sie sehr auf artgerechte Haltung und schonende, stressfreie Schlachtung, am besten ganz ohne Transport. Deshalb geht sie gern ins „machtSINN“, vormals in Gmund, das ab August in Holzkirchen zu finden ist. „Das familiengeführte kleine Lokal mag ich sehr gerne, weil ihr Regio-Konzept überzeugt und ich dort sogar mal Fleisch esse. Er ist Koch, sie ist Ernährungswissenschaftlerin. Ihr ‚machtSINN‘-Laden und -Lokal ist Teil der Ökomodell-Region Miesbacher Oberland. Keines der Tiere, die sie in ihrem Restaurant verarbeiten, wird lange transportiert, noch werden sie im Schlachthof geschlachtet“, so die Künstlerin, die seit fünf Jahren im Ort Tegernsee wohnt und ihre neue Heimat kulinarisch erkundet.

Von ihrem Atelier hat Hilo Fuchs einen traumhaften Blick auf den See: „Es liegt direkt am Tegernseer Höhenweg und fällt auf mit all den Figuren, die sich in meinem Skulpturengarten befinden.“ Sie bietet regelmäßig Workshops in Keramik und Malerei – sicher bekommen die Teilnehmenden auch kulinarische Tipps mit auf den Weg. Ihr persönlicher Gastrotipp Nummer zwei ist der „Tegernseer Hof“ in Finsterwald, einem Ortsteil von Gmund, der biete ein „sehr vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis und gute vegetarische Angebote, die sehr munden. Das rustikale Ambiente innen überzeugt und ist richtig gemütlich“.

Thomas Kellermann ist 2020 der zweite Küchenchef am See, der sich über einen Michelin-Stern freuen durfte. Dichter, die den Tegernsee liebten, schauen ihm quasi beim Kochen zu, denn die Wände seines Gourmetrestaurants Dichterstub’n sind mit Porträts bekannter bayerischer Literaten geschmückt – darunter Ludwig Thoma und an seiner Seite Ludwig Ganghofer, Franz von Kobell und Karl Stieler, der Sohn des Hofmalers Joseph Karl Stieler, der Schöpfer der berühmten Schönheitengalerie des bayerischen Königs Ludwig I. In Stielers Wohnhaus in Tegernsee ist heute das Westerhof-Café untergebracht. Kellermann kocht gerne regionale und saisonale Gerichte auf hohem Niveau, öfter mal zusammen mit Kollegen wie Hans Haas, der bis vor Kurzem die Geschicke des legendären Münchner „Tantris“ leitete, oder auch Lois Neuschmid vom Rottach-Egener „Haubentaucher“.

Ein Garten Eden

Wer jetzt meint, einen Großteil der kulinarischen Perlen rund um den schönen See bereits zu kennen, irrt. Gründe für weitere Entdeckungsreisen gibt es mehr als genug. Idealer Reisebegleiter hierfür ist das im Februar dieses Jahres erschienene Buch über die „Lieblingsplätze“ an Tegernsee, Schliersee und im Tölzer Land bis hin zu Kochelsee und Starnberger See. Hier sind Tipps für Ausflüge, Wander- oder Radtouren, Familienziele, Kunst und Kultur genauso versammelt wie weitere kulinarische Höhepunkte. Als Einladung in einen Paradiesgarten bezeichnen es die Autoren.

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