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Filmtipp vom Filmfest München 2014: Chef

Das Filmfest München ist in vollem Gange – und mei Dahoam Autor Sebastian Klug streift die ganze Woche lang beharrlich von Kino zu Kino. Dass er dabei echten Filmperlen begegnet, ist unausweichlich. Ein paar ausgewählte stellt er hier exklusiv vor. Diesmal: Chef von Jon Favreau.

Fernab der gigantischen Blockbuster, die Hollywoodstars ihren Reichtum und dem eigentlich so dreckigen und stickigen Moloch Los Angeles diesen unwiderstehlichen Glanz verleihen, haben amerikanische Filmemacher eines ganz besonders drauf: Den „kleinen Film“ – cineastische Perlen, die die amerikanische (und bisweilen auch weltweit herrschende) Lebenswirklichkeit authentisch und nachvollziehbar darstellen und Geschichten erzählen, die den amerikanischen Traum in seiner ganzen Pracht entweder inszenieren oder demontieren. Cameron Crowe legte mit Jerry Maguire oder Almost Famous vor, Alexander Payne mit About Schmidt, Sideways oder The Descendants nach.

Jetzt hat wieder einer dieser Filmemacher zugeschlagen und einen dieser kleinen, feinen Filme gedreht – und zwar einer, von dem man es nicht wirklich erwartet hätte: Jon Favreau, in letzter Zeit vornehmlich als Regisseur der Iron Man Filme in Erscheinung getreten, erzählt mit Chef die Geschichte der amerikanischen „Yes, we can“ Haltung neu, und das dann auch gleich als Autor, Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller in Personalunion.

Carl Casper (Jon Favreau) ist Koch, und zwar einer der besten in ganz LA. Doch sein Leben ist von Frust geprägt: Von seiner Exfrau Inez (Sophia Vergara) getrennt, von seinem Sohn Percy (EmJay Anthony) zunehmend entfremdet, von seinem Boss Riva (Dustin Hoffman) an der kurzen Leine gehalten. Als sich eines Tages der berühmte Restaurantkritiker Ramsey Michel (Michael Platt) ankündigt, möchte Carl ihn mit einem vollkommen neuen, eigenen Menü überzeugen, wird jedoch von Riva, dem Besitzer des Restaurants, dazu gezwungen, statt eines innovativen das übliche Menü aus alten Klassikern zu kochen. Das Ergebnis: Eine verheerende und zutiefst verletzende Restaurantkritik, die Carl bis ins Mark erschüttert. Ein zweiter Versuch, Ramsey zu überzeugen, wird von Riva verhindert, woraufhin Carl kündigt und Ramsey mitten im Restaurant wütend zur Rede stellt. Ein Gast filmt den Wutausbruch und stellt ihn auf Youtube – mit dem Ergebnis, dass nun zwar jeder Carl Casper kennt, aber ihn niemand mehr einstellen möchte. In seiner Not nimmt Carl das Angebot von Inez an, ihm einen der in den USA sehr beliebten Foodtrucks zu vermitteln, in dem er zwar mit einfachen Mitteln, dafür aber ganz nach seinen eigenen Vorstellungen kochen könne – was Carls Leben gehörig auf den Kopf stellt.

Vorab: Chef ist sicherlich kein zeitloses Meisterwerk, kein Meilenstein, der über Jahrzehnte als Messlatte dienen kann. Aber dieser Film hat die Fähigkeit, zu begeistern, im Bauch anzukommen und im Kopf zu verweilen. Die Bilder des amerikanischen Südens sind atemberaubend, die von Carls Kochexzessen appetitanregend. Der Cast ist bis in die Nebenrollen perfekt abgestimmt, die Chemie zwischen Carl und Inez, seinem Sohn Percy und seinen Beiköchen stimmt bis ins Detail. Selbst kleinste Figuren sind exquisit besetzt, so wie Inez’ Exmann Marvin, den Robert Downey Jr als nahe am Wahnsinn angesiedelter Baumogul spielt, Carls Love Interest Molly (Scarlett Johansson) oder Riva, dessen Zerrissenheit zwischen kulinarischem Anspruch und Wirtschaftlichkeit Dustin Hoffman derart stoisch darstellt, dass man ihn trotz seiner Machtspielchen mit Carl nicht hassen möchte. Die Musik, die von funkigem Soul über Latin Sounds bis hin zu Cajun reicht, unterstützt die Stimmung in jeder Sekunde des Films.

Schwächen hat der Film bisweilen im Schnitt, manche wenige Szenen wirken aus dem Zusammenhang gerissen und im Tempo verirrt – ein gängiges Problem, wenn das Drehbuch, gedrehtes Material und die Filmlängenwünsche des Verleihs nicht so recht zusammenpassen möchten. Dennoch schafft es Favreau über die gesamte Länge, eine positive Grundstimmung zu transportieren und die schwächeren Momente des Films so fast vergessen zu machen.

Fazit: Chef ist ein Feel-Good-Movie der besonderen Art, den man mit einem Lächeln im Gesicht und einer Menge Hunger im Bauch verlässt. Und bis jetzt ein echter Geheimtipp.

Chef  läuft am Mittwoch, den 2. Juli um 20.00 Uhr sowie Donnerstag, den 3. Juli um 22.30 Uhr im City Kino in München. Infos und Karten gibt es hier.

 

Über den Autor

Sebastian Klug

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