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American Valhalla: Ein Filmtipp frisch vom Filmfest München 2017

Das Filmfest München ist vorbei – und mei Dahoam Autor Sebastian Klug ist eine ganze Woche lang beharrlich von Kino zu Kino gepilgert. Dass er dabei echten Filmperlen begegnet, ist unausweichlich. So z. B. der Rockdoku American Valhalla über das letzte Album von Iggy Pop, produziert von keinem geringeren als der Rocklegende Josh Homme.

Film und Rock sind zwei Seiten der gleichen Medaille: Glamour. Während sich der Glamour beim Film auf Scheinwerfer, rote Teppiche und Kleider mit eigenen Namen beschränkt, besteht er beim Rock aus Drogen, Sex und Freiheit.

Mit American Valhalla schaffte es das Filmfest München in diesem Jahr, die ganze Medaille auf die Bühne zu bringen. Mit Josh Homme ist der Filmemacher ein klassischer Rockstar wie aus dem Lehrbuch: Ein fast zwei Meter großer, muskulöser Körper, unten Boots und Jeans, oben ein weit offenes, schwarzes Hemd mit eingestickten roten Rosen und ganz oben ein wehender Schopf roter Haare, die Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt. So viel zu Sex-Appeal und Freiheit.

Dass sich Josh Homme und sein Co-Regisseur Andreas Neumann zum Filmgespräch nicht auf die Bühne stellen, sondern sich mit Bier in der Hand und den Worten „Now let’s sit down, for fuck sake!“ auf die Bühnenkante setzen, passt perfekt zu dem Bild. Dass sich Homme dann auch noch mitten im ehrwürdigen Carl-Orff-Saal des Münchner Gasteigs nonchalant eine Zigarette anzündet, komplettiert die Idealvorstellung von Sex, Drugs and Rock’n’Roll endgültig – dass es sich um eine normale Zigarette handelt, geht in diesem Umfeld vollkommen in Ordnung.

Der Film selbst bricht dagegen mit einigen Klischees. In sowohl visuell als auch akustisch harten, schnörkellosen Schnitten zeigt er die Lebensrealität zweier Ausnahmemusiker sowohl äußerlich als auch innerlich: Ende 2014 beschließt Iggy Pop, ein neues Album aufzunehmen. Als Produzenten sucht er sich den kalifornischen Stoner-Rocker Joshua Homme aus, der es mit Kyuss, Queens of the Stone Age und nicht zuletzt Eagles of Death Metal zu Weltruhm gebracht hat, und schickt ihm erst eine SMS und anschließend ein Paket mit Songtexten und Erinnerungen an seine eigene Geschichte. Homme, immer noch unter Schock von dem Terroranschlag im Pariser Bataclan im November, ist überwältigt von der Vorstellung der Zusammenarbeit mit Pop und beginnt, erste Demos einzuspielen, und Anfang 2016 beginnen die beiden mit der Produktion. Da es nur wenige Filmaufnahmen dieser Phase gibt, entsteht die Geschichte aus den Erzählungen von Pop und Homme – sowohl im Interview als auch aus ihren Tagebucheintragungen. Besonders die Tagebuchaufzeichnungen zerschmettern das Klischee des oberflächlichen, impulsiven Rockers und ersetzen es mit den Bildern empfindsamer, ängstlicher, zweifelnder und hadernder Männer, die sich immer wieder aufraffen müssen, ihre Vorstellungen und Ziele zu verfolgen und zu verwirklichen. Besonders sichtbar wird das bei den Konzertaufnahmen, wenn der 70 Jahre alte Iggy Pop seinen sehnigen, muskulösen Körper mit scheinbar schier endloser Energie über die Bühne wirft, und sich anschließend gebückt und hinkend in seine Garderobe schleppt, während das Blut aus einer Wunde an seinem Kopf läuft.

American Valhalla zeigt zwei Männer auf dem Weg zu einem gemeinsamen Kapitel ihrer Karriere. Statt dem Versuch, ihrem Wirken einen politischen oder kulturellen Stempel aufzudrücken, sieht man zwei Musiker, die sich einfach weiterentwickeln möchten und alleine dadurch ein Statement von kultureller Relevanz schaffen. Besonders der Kontrast zwischen den kargen Bildern aus dem Studio in der Mojave-Wüste, dem surreal sonnigen Bungalow von Iggy Pop in Miami und den Konzerthallen auf der ganzen Welt, machen dabei die atmosphärische Spannung aus, mit der der Film bis ins Mark überzeugt. Was bleibt, ist das Portrait von zwei Männern, die die Endlichkeit ihres Daseins begreifen und versuchen, das Beste daraus zu machen. Denn die Zeit, so erklärt es Josh Homme zu Beginn wie auch am Ende des Filmes, arbeitet in der Regel nicht für einen: „Time is not your friend. I’d wish it would slow down, but it won’t listen to me. That’s why you better enjoy the moment, `cause you won’t get another one.“

Über den Autor

Sebastian Klug

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