Ehrenamtlich und mit viel Engagement verarbeiten Senioren des Beuerberger Gartenbauvereins jährlich Tonnen von Äpfeln zu haltbarem Saft
Jakob Fischer oder „Der Schöne vom Oberland“, wie er auch heißt, kann nicht warten. Wegen ihm beginnt in Beuerberg die Saftsaison schon Mitte August. Die Vorsitzende des Beuerberger Gartenbauvereins, Maria Schön, kennt das schon. Sie hat selbst einen Frühapfelbaum mit dem klassischen Männernamen. „Der Apfel schmeckt wunderbar, lässt sich aber nicht lagern“, sagt die Gartenliebhaberin. Die alte Apfelsorte mit den leuchtend roten Backen wurde nach ihrem Entdecker benannt, einem Landwirt namens Jakob Fischer. Zum Saftpressen ist die Sorte ideal. Deshalb bringt auch Maria Schön ihre Äpfel zur vereinseigenen Presse, die seit Jahren fest in Seniorenhand ist.
„Bis alles läuft, geht es am ersten Presstag immer turbulent zu“, sagt Othmar Winterling. Er ist an diesem Vormittag ein bisschen nervös. Der Erhitzer macht wieder Probleme. Bei den Beuerberger Obstpressern ist Othmar Winterling für die Technik zuständig. Auf gut 25 Quadratmetern stehen elf Menschen und fünf Maschinen eng an eng. „Heute sind wir mehr Leute. Normalerweise sind wir zu acht pro Gruppe“, erklärt der ehemalige Ingenieur, der bis zu seiner Pensionierung Antriebssysteme von Sportautos entwickelt hat. Heute kümmert er sich darum, dass bei der Saftanlage alles läuft. „Ohne das Engagement unserer Senioren würde es die Saftpresse nicht geben“, betont auch die Vereinsvorsitzende Maria Schön.
Insgesamt 16 Leute verarbeiten jedes Jahr über 40 Tonnen Äpfel, Birnen und Quitten zu Saft. Von Mitte August bis Ende Oktober stehen die rüstigen Rentner dienstags und freitags pünktlich ab 8 Uhr morgens in ihrer Saftkammer und nehmen das angelieferte Obst in Empfang. Das jüngste Mitglied der Truppe ist 58 Jahre alt, der Älteste 80 Jahre. „Wir können nur Senioren nehmen“, erklärt Othmar Winterling, „weil wir ja dienstags und freitags den ganzen Tag arbeiten.“
Vor der Tür zur Safterei stehen säckeweise Äpfel, die mit dem Namen ihrer Besitzer beschriftet sind. „Große Säcke sind uns zu schwer, kleine 25-Kilo-Säcke sind besser – wir sind schließlich Rentner“, sagt Leonhard Fichtner, der heute für das Befüllen des Häckslers zuständig ist. Er kippt die Äpfel zuerst in ein Wasserbad, von dort hebt eine Förderschnecke das Obst in den großen Häcksler. „Der funktioniert wie ein riesiges Reibeisen“, brüllt Winterling. Wenn der Häcksler läuft, versteht man in der Saftkammer sein eigenes Wort nicht mehr. In fünf Minuten spuckt die Maschine 150 Kilogramm Maische in eine große Plastikwanne. Nachdem die erste Wanne voll ist, duftet der ganze Raum nach frischen Äpfeln. Auch die Wanne bekommt ein Pappschild mit dem Namen der Kundschaft. „Die Namensschilder bleiben bis zur Abfüllung an den Behältern. So können wir garantieren, dass jeder auch seinen eigenen Saft bekommt“, erklärt der Ingenieur.
Das Beuerberger Safterei-System ist deshalb auch ein besonderes: Jeder bekommt den Saft seiner eigenen Äpfel. Das ist nicht selbstverständlich, denn bei anderen Saftereien liefert man oft nur sein Obst ab und bekommt eine entsprechende Menge Saft dafür. „Deswegen ist es auch wichtig, dass keine faulen Früchte dabei sind und die Äpfel möglichst sauber sind. Grober Dreck geht auch im Wasserbad nicht weg“, erklärt Angela Bromberger, mit 58 Jahren die Jüngste im Team und auch die einzige Frau in der Mannschaft. Manche Kunden nehmen es mit der Sauberkeit sogar ganz genau: „Eine Dame hat mich mal gefragt, ob sie die Wurmlöcher auch ausschneiden soll“, erzählt Angela Bromberger und schmunzelt, „aber der Wurm ist okay, der ist biologisch und nach der Erhitzung sogar keimfrei.“
Obst zu verarbeiten hat Tradition in Beuerberg
Die randvolle Maischewanne wird auf einem kleinen, selbstgezimmerten Wagen zur Presse gefahren. Zwei Herren jenseits der 70 schaufeln und schichten mithilfe von Presstüchern und Holzbrettern zehn Lagen Maische übereinander. Dann wird der Turm unter die Presse geschoben und bei 300 bar auf ein Drittel seiner ursprünglichen Höhe zusammengedrückt. In Strömen fließt der honigbraune Apfelsaft aus dem schrumpfenden Turm. Angela Bromberger, die für den Rohsaft und seinen Transport zur Erhitzungsanlage zuständig ist, hat alle Hände voll zu tun. Sie muss darauf achten, die Zehn-Liter-Eimer rechtzeitig zu wechseln. Damit man bei der Abrechnung den Überblick behält, malt sie für jeden vollen Eimer einen Kreidestrich an die Tafel. An einem sehr guten Tag hat sie bis zum Nachmittag 250 Striche auf die Tafel gezeichnet – und die gleiche Menge an Zehn-Liter-Eimern zur Abfüllung geschleppt. „Da weiß man dann, was man getan hat“, sagt die sympathische Hausfrau und lächelt. Obst zu verarbeiten, um es haltbar zu machen, hat Tradition in Beuerberg: Bereits 1927 errichtete der Gartenbauverein eine Keltereianlage. Erhitzung im großen Stil war damals noch nicht möglich, deshalb wurden jährlich bis zu 17.000 Liter Apfel- und Birnensaft zu Most vergoren. Auch gut 55 Zentner Heidelbeeren und Johannisbeeren verarbeiteten die Gartler damals zu Beerenwein. Die Leute hatten in der Nachkriegszeit dann kein Interesse mehr an selbstgemachtem Wein. In den 60er-Jahren stellte der Verein das Obstpressen ganz ein.
Wiederbelebt wurde die Safterei 1986. Damals griffen einige Mitglieder des Beuerberger Gartenbauvereins zu Kelle und Schaufel und sanierten das ehemalige Schlachthaus der Metzgerei Lindlbauer. Der Raum bekam einen neuen Boden, neue Fliesen, und eine gebrauchte Obstpresse wurde aufgestellt – fertig war die Safterei. Auf Fotografien aus dieser Zeit kann man erkennen, wie Männer in ausrangierten Milchkannen die Äpfel zerkleinern und den Saft nach dem Pressen von Hand in Mineralwasserflaschen abfüllen. Heute, fast 30 Jahre später, ist die Mannschaft auf dem neuesten Stand der Technik. „Wir haben viel ausprobiert und einiges an Erfahrung aufgebaut“, sagt Othmar Winterling. Einige Mitglieder besuchen Messen, um sich über die technischen Entwicklungen zu informieren. Von dem Know-how profitieren auch andere Gartenbauvereine in der Region, die sich bei den Beuerberger Routiniers gerne Rat holen.
Als Lohn gibt´s eine Brotzeit
Für den Verein ist die Presse eine Geldmaschine. Sie schafft mit jedem Liter Saft die finanzielle Basis für die Aktivitäten der Gartler. Gleichzeitig verschlingt die Presse aber auch das meiste Geld. In diesem Jahr musste ein neuer Filter für 4.000 Euro angeschafft werden. Das Gerät aus Edelstahl hält die Schwebstoffe jetzt besser zurück. Dadurch verstopft der Durchlauferhitzer nicht so schnell. „Die Saftanlage ist empfindlich und sehr teuer“, sagt Maria Schön, die als Vereinsvorsitzende das Budget im Blick hat. „Mehrere Tausend Euro sind da schnell weg.“ Erwirtschaftet der Verein einen Überschuss, wird das Geld an den Kindergarten oder andere Einrichtungen in der Gemeinde gespendet.
Nachdem der rohe Saft den Filter durchlaufen hat, kommt er in einen großen Durchlauferhitzer. Um ihn haltbar zu machen, wird er in der Anlage kurzzeitig auf 80 Grad erwärmt. Danach füllen zwei Herren den heißen Saft in Plastikbeutel ab und verpacken ihn in stapelbare Mehrwegkartons. Nach knapp einer Stunde können die Kunden ihren Saft abholen. „Die meisten Leute kommen aus dem Ort“, erklärt der ehemalige Büroangestellte Klaus Heukerott, der bei der Dienstagsmannschaft für die Abrechnung zuständig ist. Manche fahren aber auch aus München nach Beuerberg, um hier ihren eigenen Biosaft herstellen zu lassen.
Für einen Liter Apfelsaft zahlen Nichtmitglieder 50 Cent, zuzüglich 2,50 Euro Verpackungskosten. Ein Fünf-Liter-Karton mit eigenem Bioapfelsaft kostet so insgesamt 5 Euro.
Wenn gegen 14 Uhr die letzten Äpfel gepresst sind und die Maschinen gründlich gereinigt wurden, geht die Truppe zum gemütlichen Teil des Tages über: Als Lohn für ihre Schufterei spendiert der Verein seinen Seniorensaftern immer eine Brotzeit. Sollte jetzt noch ein Jakob Fischer kommen, muss er bis Freitag warten.