Leben & Geniessen

Regionaler geht´s nicht: Eine kulinarische Entdeckungstour im Bayerischen Oberland

Von Genossenschaft bis Altbäuerin, von Fischpralinen aus Ammerland bis Auberginen aus Münsing: eine kulinarische Entdeckungstour im Bayerischen Oberland

Einkaufen im Hofladen – das bedeutet: an einem Frühlingssamstag aufs Land fahren, nicht die Schnellstraße nehmen, auf der man sonst immer an den Dörfern vorbeibraust. Abbiegen, Umwege machen, in der kleinen Nebenstraße einen schönen Biergarten entdecken, einen Blick über den See werfen. Dann wird man herzlich begrüßt, die Bäuerin, der Gärtner, die Fischersfamilie freut sich, wenn Kunden kommen, die die Qualität ihrer Produkte zu schätzen wissen. Man plaudert, tauscht Rezepte aus, beißt in die knusprige Semmel mit ganz frischem Leberkäs und genießt.

Dorfladen Gelting

„Das Schöne ist, dass es bei uns so viel gibt. Milchprodukte aller Arten, Fleisch, Wurst und Fisch, frisch gemahlenes Mehl, Brot und Gebäck beziehen wir vor allem zum Wochenende hin direkt aus der Region“, erzählen Andrea Zambelli und Sigrid Stumvoll vom Dorfladen Gelting.

Und tatsächlich: „Regionaler geht’s nicht“, so der handgeschriebene Hinweis an der Kühltheke: Milch und Joghurt stammen aus der Hofmolkerei Bay im gleichen Ort. Am Wochenende gibt’s Fisch vom Loisachtal oder aus dem Starnberger See, Fleisch und Wurst aus Mooseurach, das Mehl stammt von der Angermühle in Egling, die Bio-Eier liefert der Bertenbauernhof aus Dietramszell und Salate kommen im Sommer aus der Gärtnerei aus der Nachbarschaft. Hier findet man also nicht nur ein Sortiment nach Tante-Emma-Manier, sondern es wird auf Regionalität geachtet. Das zieht, so die beiden Teamchefinnen vom Dorfladen, der als Genossenschaft vor fünf Jahren ins Leben gerufen wurde; 18 Frauen aus dem Dorf finden hier Arbeit, die Nahversorgung ist gesichert. Ab dem kommenden Sommer darf auch Bier ausgeschenkt werden, so dass ein Treffpunkt für Jung und Alt entsteht, ein Zentrum im Dorf, nicht nur Einkaufs-, sondern auch Begegnungsstätte.

Von Icking zum Starnberger See

Einen Hofladen wie aus dem Bilderbuch betreibt Bäuerin Maria Pischeltsrieder aus Icking. Das Schild „Bitte Schritt fahren“ in der Hofeinfahrt sollte man unbedingt ernst nehmen, wenn man nicht versehentlich das munter frei herumscharrende Federvieh überfahren möchte. Hier gibt es Bio-Eier, Quittenmarmelade, Apfelsaft oder Apfel- und Birnenbrand (alles aus Eigenproduktion) sowie Möhren, Zwiebeln, Kartoffeln und Honig von den Nachbarn zu kaufen. Zu Kirchweih und Martini werden auch selbst gezogene Freilandgänse angeboten. Besonders fein aber ist das gute Rind- ,Kalb- und Schweinefleisch aus eigener Haltung. Für den Braten empfiehlt uns die Bäuerin ein „Rosenstück“ aus der Kalbskeule – die später zum Essen eingeladenen Freunde verteilen spontan Bestnoten für das wunderbar zarte Fleisch. „Für’s Wiederkommen“ kriegt der Nachwuchs noch eine frische Wiener ins Auto hineingereicht, bevor wir beschwingt Kurs auf unser nächstes Ziel nehmen.

Von Icking aus empfiehlt sich ein Schlenker zur Angermühle in Egling. Freitag und Samstag feuert Müller Franz Schölderle den großen Holzbackofen im eigenen Backhaus an und backt frisches Dinkelbrot und Brezen. Das kommt zum Wochenende gerade recht, und im netten kleinen Laden kann man auch gute Mehle und Dinkelprodukte für Daheim erwerben.

In einer Region mit Flüssen und Seen gibt es natürlich auch fantastischen Fisch. Einen Ausflug zur Fischzucht Aumühle in der Pupplinger Au im Isartal kann man gleich mit einem Biergarten-Besuch verbinden; der Gasthof nebenan bezieht den frischen Fisch vom Nachbarn und bereitet ihn gekonnt zu – und zum Nachtisch unbedingt das Bio-Bauernhofeis der Familie Lex-Zach aus Egling-Neufahrn probieren! Für den Rest der Woche kann man sich im Hofladen eindecken. Im Angebot sind Saibling, Forelle, Aal oder (saisonbedingt) Karpfen. Während wir die Qual der Wahl haben, kauft sich der Sohn Fischfutter am Automaten und trollt sich zu den großen Zuchtbecken, um sich das muntere Treiben aus der Nähe anzuschauen. Wer im Besitz eines Fischereischeins ist, kann sich auch gleich selbst etwas angeln.

Beim Fischer Sebald in Ammerland am Starnberger See sitzt man dagegen im lauschigen Obstgarten und beißt in „die beste Fischsemmel der Welt“, wie uns eine Stammkundin anvertraut. Der Laden ist ein Fischparadies für Gourmets: Die frischen Fische glänzen um die Wette, geräucherter Fisch wird hier mit Basilikum, Zitronenpfeffer oder Sandelholz mariniert Außerdem gibt es Fischbaguette und auf Bestellung sogar Fischpralinen fürs Partybuffet.

Wem der Sinn eher nach mehrfach prämierter Käseauswahl, Holzofenbrot und im Sommer frisch geerntetem Demeter-Gemüse steht, wird im Loth Hof Laden der Kohns in Münsing glücklich. Eier und manches Fleisch stammen vom Loth-Hof gleich gegenüber, das Gemüse wird im Feld hinter dem Haus angebaut. In den zwei Gewächshäusern werden sogar Auberginen und Paprika kultiviert, vom Feld stammt alles, was hier gedeihen kann. Herzstück des Ladens ist die supermoderne und bestens bestückte Käsetheke. Dank eines ausgeklügelten Bedampfungssystems kann der Käse dort ohne Folie gelagert werden und durchläuft zugleich eine optimale Nachreifung. Neben Delikatessen wie Pralinen von Clement Chococult aus Bernried oder Wildfleisch aus ökologischer Jagd bei Kochel bietet der Laden eine große Auswahl an biologischen Produkten. „Wir sind aber“, meint Christian Kohn, „nicht missionarisch. Qualität ist uns genauso wichtig wie ‚bio‘.“

Für die anschließende Verschnaufpause bietet sich der „Freiraum“ von Tochter Cäcilia an. Sie verwendet in ihrem kleinen Café ausschließlich Produkte vom Loth Hof Laden und bietet feine kleine Tagesgerichte und Kuchen zum Nachtisch. Oder lieber einen der delikaten Florentiner aus der ZehCon-Manufaktur in Geretsried probieren? Schwierige Entscheidungen …

Weiter Richtung Süden

Bei Königsdorf kann man das idyllisch gelegene Gut Mooseurach entdecken. Dort wird nicht nur nach ökologischen Kriterien gewirtschaftet, sondern es haben sich mehrere Künstler dort angesiedelt – die Hoffläche wird zugleich als Freiluftatelier genutzt.

Seit über 25 Jahren produziert Mooseurach Naturland-zertifiziertes Geflügel, Schwein-, Lamm- und Jungrindfleisch (etwa vom selten gewordenen Murnau-Werdenfelser Rind). Die Tiere werden ausschließlich mit hofeigenem Futter ernährt, kontrolliert ökologisch aufgezogen und auch vor Ort geschlachtet. Das heißt: Kein Transportstress für die Tiere, und das ist wiederum gut für die Fleischqualität. Der Hofladen selbst hat nur Samstag geöffnet, aber man kann problemlos online vorbestellen oder sich Pakete mit unterschiedlichen Fleischarten zusammenstellen lassen. Im Laufe des Jahres wird es sogar Dry Aged Beef im Angebot geben, so Hofladenchef Jakob Ullmann. Die hierfür nötigen speziellen Reifekammern werden gerade aufgebaut. Übrigens: Auch Vegetarier können im Hofladen glücklich werden, zum Beispiel mit Imkerhonig, saisonalem Gemüse, Biokartoffeln oder leckerem Biokäse aus der Jachenau. Selbst gekelterten Apfelsaft in der ökonomischen 5- oder 10-Liter-Box gibt es ebenfalls (Mooseurach verfügt über die größten Apfelwiesen in der Region), und man hat mit dem Wiederanbau alter Essapfelsorten jenseits der „üblichen Verdächtigen“ wie Braeburn & Co begonnen. Bis die Bäume aber genug Obst für den Verkauf tragen, wird es noch etwa zehn Jahre dauern …

Zu Besuch in der Off-Mühle in Sindelsdorf

Brot- und Kuchenbäcker sollten unbedingt einen Einkehrschwung bei der Off-Mühle einplanen. Von ehemals sieben Mühlen am Bachlauf konnte sie als einzige gegen die industriellen Großmühlen bestehen – dank der klaren Maxime „Qualität vor Quantität“. Die Mühle ist immer noch ein echter Handwerksbetrieb, hier ist nichts automatisiert. Seit 2003 ist man bio-zertifiziert, doch Müller Martin Sonner hat sich bewusst keinem der großen Bioverbände angeschlossen. Wichtiger ist ihm, Getreide von Bauern aus der Region zu beziehen, die bodenschonend und unter Beachtung der Fruchtfolge wirtschaften. In der Mühle werden Weizen, Roggen und Dinkel vermahlen, frei von jeglichen Hilfsmitteln und Zusatzstoffen. Jede Charge durchläuft einen gründlichen Labor-Check, bevor sie verarbeitet wird, aber auch danach wird die Produktion engmaschig überwacht. Je nach Saison und Witterung kann die Beschaffenheit des Getreides schwanken: „Jedes Korn ist eben anders, das muss man fühlen, schmecken und riechen“, wie Müller Sonner lachend erklärt.

Erst nach 14 Tagen Ablagerung kommt das Mehl zum Verkauf. Abnehmer sind die Hof- und Dorfläden in der Region und natürlich die wachsende Schar qualitätsbewusster Hobbybäcker. Im schönen Mühlenladen findet man aber nicht nur hochwertige Mehle, auch Back- und Müslimischungen, Gewürze, Nudeln, Hildegard-Produkte, Honig und vieles mehr sind im Angebot. Glutenallergiker werden sich über die große Auswahl an gut verträglichen Dinkelprodukten und -süßwaren freuen. Sogar für den heimischen Kanarienvogel oder das eigene Pferd wird man hier fündig, denn die Getreiderückstände werden zu gutem Tierfutter verarbeitet.

Eine Tour durch die Hofläden der Region ist eine kleine Reise, von der man bereichert heimkommt. So manche Hiobsbotschaft über Lebensmittelskandale kann man nun getrost ignorieren, und dank Direktvermarkterpreisen bekommen Sie Hochwertiges zum fairen Tarif. Packen Sie zuhause Ihre Schätze aus, und wann immer Sie etwas Feines aus Ihrer gut gefüllten Vorratskammer zaubern, werden Sie sich an nette Menschen, interessante Begegnungen und eine herrliche Landschaft erinnern.

Willkommen Dahoam.

Hier können Sie die wichtigsten Adressen mit Öffnungszeiten einsehen:

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